Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)
um eine Frau zu beschützen, statt sie zu unterdrücken.
Denk nicht einmal daran. Du hast Valle ohne Unterstützung eines Mannes aufgebaut, und du brauchst auch jetzt keinen.
Doch der Hunger ließ nicht nach, ein Hunger, den keine Speise stillen konnte.
Chris erwiderte ihren Blick zwei Herzschläge lang mit undurchdringlicher Miene, bevor er durch die Tür trat. In der Schmiede war es still und kühler als sonst, weil der Überfall im Morgengrauen Ex den ganzen Tag über beschäftigt gehalten hatte. Rosas Bitte gemäß hatte er seine Werkzeuge sterilisiert. Er begrüßte sie mit einem Nicken. Er war schon im besten Fall schweigsam, aber nachdem ihm gerade eine Kugel aus der Schulter geschnitten worden war, war er nicht in Plauderstimmung.
»Wo?«, fragte er und hielt eine Nadel hoch.
Chris sah Rosa an, und sein wunderschöner Mund schenkte ihr ein köstliches Lächeln. Er zog sich das schwarze Zeremonialhemd über den Kopf und wandte sich von Rosa ab. Ihr Mund wurde trocken.
»Auf dem Rücken.«
20
Chris zwang seine verkrampften Muskeln, sich zu entspannen. Der erste Stich des Metalls, das in seine Haut eindrang, fühlte sich an, als würde er mit kochendem Wasser verbrüht, aber bald nahm er den beständigen Schmerz einfach hin. Er atmete durch die Nase und gewann Abstand von dem Unbehagen.
Seltsam, er hatte nie auch nur gefragt, wie die Tätowierung aussehen sollte, aber wahrscheinlich war es das abstrakte Muster, das auch die anderen Bravos trugen. Da es Rosas Zeichen war, war ihm alles andere gleichgültig.
Zunächst kamen und gingen noch andere Männer. Brick und Rio erschienen, um leise mit Rosa über die Vorbereitungen für Manuels Beerdigung in der Morgendämmerung zu sprechen. Die anderen schauten nur herein, um festzustellen, ob Chris zappelte. Früher hätte er das vielleicht getan, als er sich schon allein bei dem Gedanken daran, sich tätowieren zu lassen, gekrümmt hätte. Das hier war etwas anderes – etwas Wichtiges. Er erinnerte sich an Geschichten über Maorikrieger, die über und über tätowiert waren. Wenn sie um ihres Aussehens willen solchen Schmerz ertragen konnten, erlaubte das Rückschlüsse darauf, welche Qualen sie auf sich zu nehmen bereit waren, um zu beschützen, was ihnen am Herzen lag.
Aber bald kamen keine Besucher mehr. Ex, Rosa und Chris wohnten dem stetigen Zustoßen der Nadel als Einzige bei.
Ex unterbrach seine Arbeit, um mehr Tinte zu holen. Er fragte Rosa mit hochgezogener Augenbraue: »Bleibst du hier?«
Chris lächelte breit. Die drei Wörter enthüllten, dass sie normalerweise nicht die ganze Prozedur mit ansah – und dass die Chemie zwischen ihnen ungewöhnlich gut stimmte.
»Ja, ich bleibe. Ich will sichergehen, dass er nicht noch kalte Füße bekommt.«
Nachdem Chris mit den Lippen das Wort Lügnerin geformt hatte, ließ er sich wieder in seine Meditation sinken. Die Stiche setzten sich zwischen seinen Schulterblättern fort, aber er war darüber hinaus, sie als Schmerz zu betrachten. Das hier war einfach zu unterhaltsam.
Die nächste Stunde über oder vielleicht noch länger blieb Rosa an derselben Stelle an der Wand der Schmiede stehen und sah die ganze Zeit zu. Sie rührte sich kaum, sondern verlagerte nur dann und wann ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Ihre genähte Wunde musste schmerzen, aber sie blieb dennoch. Chris fragte sich, ob auch sie die Intimität dessen spürte, was gerade geschah. Ex war nur ein menschliches Werkzeug, ein Mittel, Rosas Willen umzusetzen. Jeder Nadelstich in Chris’ Haut war ihr Befehl, ihr Anspruch auf ihn.
Er hätte eine Heidenangst haben sollen.
Stattdessen durchströmte eine seltsame Art von Frieden sein Blut und seine Muskeln, genau wie bei der Initiationszeremonie. Vor Jahren – zum Teufel, sogar noch vor ein paar Wochen – hätte er dies als Farce empfunden, aber nun bedeutete sie ihm weit mehr, als er im Voraus erwartet hatte.
»Fertig«, sagte Ex lapidar, wie es seine Art war. Er wischte Chris’ Haut mit einem Lappen ab und trug dann eine Salbe auf, die sich nach dem ständigen Brennen der Nadel kühl anfühlte.
»Danke.«
Ex nickte nur. »Rosa kann dich verbinden, wenn deine Haut getrocknet ist. Ich lege mich hin.«
Erst jetzt fiel Chris die angespannte, geradezu aschfahle Blässe des Mannes auf. Ex war am Morgen ebenfalls angeschossen worden. Chris konnte nicht mehr tun, als ihm noch einmal zu danken und ihm die Hand zu schütteln. Dann war er mit Rosa allein.
»Wie sieht es aus?«, fragte
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