Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)
widerspruchslos alle Grenzen. Jameson auch, wegen Tilly. Dann vielleicht Brick. Er schläft zwar nicht ausschließlich mit Jolene, aber er ist ehrenhaft und wird sicher auf Singer aufpassen wollen, wenn all die Bravos hier herumschnüffeln.«
»Gut. Ihr werdet sie brauchen.«
Er stieß Rosa verstohlen an. Sie verstand den Wink mit dem Zaunpfahl, drehte sich um und bot den sechs Bravos die Stirn, die gerade die Straße überquerten und aufs Rathaus zukamen. Rio und Lem waren dabei. Chris hatte mit keinem von beiden ein Hühnchen zu rupfen, aber Rio war jung, und Lem war übereifrig, was Frauen anging. Dass Falco die Nachhut des kleinen Grüppchens bildete, versetzte Chris dagegen in Alarmbereitschaft.
»Wir wollen sie sehen«, sagte Lem. Er war immer noch wie beim Überfall bewaffnet. »Wir verdienen es, sie zu sehen.«
»Keine Chance.« Rosa richtete sich höher auf. »Sie sind geschwächt und benötigen medizinische Versorgung. Und die Regeln haben immer noch Bestand. Es ist ihre Wahl. Ohne Ausnahme.«
Aber Lem widersprach: »Wir haben etwas verdient. Manuel ist bei dem Überfall gestorben, und wir hätten auch sterben können. Was hast du dazu zu sagen?«
Chris zuckte innerlich zusammen. Kein Wunder, dass alle seit ihrer Rückkehr so angespannt und erschüttert waren. Der Verlust eines Bravos hätte sie auch unter den besten, erfolgreichsten Umständen verstört. Aber bei einem fast nutzlosen Überfall einen Mann zu verlieren erschütterte Rosas Herrschaft. Die Stimmung drohte zu kippen, aber Chris hielt den Mund und rührte sich nicht. Es war Rosas Kampf, sagte er sich. Das machte das Auftreten der Bravos und ihre Drohungen aber nicht leichter zu ertragen.
»Ich sage, dass Manuel dieselben Risiken eingegangen ist wie wir alle«, antwortete Rosa. »Er hat einen hohen Preis für unser Pech gezahlt.«
»Eher für eine Fehlentscheidung.« Lem zeigte mit ausgestrecktem Finger auf sie. » Deine Fehlentscheidung.«
»Pass bloß auf«, sagte sie leise in unheilverkündendem Ton. »Du gehst zu weit.«
Lem machte noch einen Schritt, und damit aus Chris’ Sicht etwa drei zu viel. Verdammt. Wenn er den Bur schen niederschlug, würde er Rosa nicht gerade helfen, ihre Stellung als Anführerin zu sichern, und es würde auch nicht verhindern, dass sechs Bravos mit dicker Hose bei nächster Gelegenheit über die neuen Frauen herfielen.
Chris zermarterte sich das Hirn, um eine Lösung zu finden.
Führungskraft.
Stärke.
Loyalität …
Ein Loyalitätsbeweis.
»Also gefällt dir mein Fund, Lem?«, fragte er.
Der jüngere Mann blinzelte, als würde er Chris zum ersten Mal sehen. »Klar, Doc. Das ist die beste Beute, die wir seit Jahren gemacht haben.«
» Wir ?« Chris lehnte sich in lässiger Haltung gegen die Wand des Rathauses und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich kann mich nicht erinnern, sie irgendjemandem sonst angeboten zu haben. Wie sagt man doch so schön? Wer’s findet, darf’s behalten.«
»Schwachsinn!«
»Hier in Valle«, sagte Rio mit zusammengekniffenen Augen, »teilen wir alles miteinander, was wir bei Überfällen erbeuten.«
»Oh, aber gerade das ist doch der Haken, nicht wahr? Ich bin kein Teil von Valle de Bravo.« Er warf einen Seitenblick auf Rosa und hoffte, dass sie ihm vertrauen würde. Es war vielleicht das Beste, dass sie einfach schwieg und abwartete. Sie beobachtete ihn mit einer Mischung aus Neugier, Abscheu und Hoffnung. » Jefa , was muss man tun, um ein Teil dieser Stadt zu werden?«
»Einen Eid schwören.«
»Wem?« Er wusste es ganz genau, aber er flirtete gern mit ihr und genoss es, alle anderen annehmen zu lassen, es sei immer noch Feindseligkeit.
»Mir«, sagte sie.
»Also soll ich schwören, dass du die unangefochtene Herrscherin von Valle de Bravo bist? Und dann händige ich mein unrecht erworbenes Gut aus?« Auf Rosas Nicken hin fragte er: »Und was bekomme ich im Austausch dafür?«
»Die volle Loyalität und den Schutz der Stadt.«
»Dann machen wir das doch.« Er stieß sich von der Wand ab und starrte dann die sechs Bravos einen nach dem anderen an. Lem war leicht einzuschüchtern, Rio ebenfalls. Kein Wunder, dass Falco nicht einknickte – aber der Kampf konnte warten. »Aber ich übergebe diese Frauen nicht einfach irgendjemandem. Sie verdienen den Respekt, den Rosa jedem zusichert, der hier lebt. Also spiele ich unter keinen Umständen mit, wenn jemand hier versucht, die bestehende Ordnung umzustoßen.«
»Worauf willst du eigentlich hinaus?«,
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