Die letzten Dinge - Roman
wirklich lausig. Schrecklich, danke.
Kommst du jetzt nach Hause?
Ich habe noch keine Verbände gemacht.
Dann soll sie die Schwester im Spätdienst machen.
Hilflos sah Rosalinde Abdul an.
Es … es geht doch nicht.
Geht nicht?
Rosalinde schüttelte den Kopf und schnuffte noch ein wenig ins Taschentuch.
Die Klingel läutete zum zehnten Mal. Abdul seufzte.
Wir könnten uns noch ein schönes Leben machen. Mal was für uns tun, einen Ausflug machen oder so. Aber wenn du daheim bist, dann bist du krank. Wenn es so weitergeht, habe ich keine Frau mehr. Rosalinde, überlege dir das. Ich helfe dir jetzt mit dem Mittagessen. Ich helfe dir immer, das weißt du. Aber ich will auch eine Frau haben, die mal für mich da ist, weißt du?
Rosalinde nickte. Das saß. Sie musste sich mehr hier rausnehmen. Sie musste sich besser schützen vor all den negativen Energien. Sie musste besser organisieren. Sie brauchte besseres Personal. Sie musste Ivy Druck machen. Sie musste …
Es klingelte. Rosalinde stand auf. – Abdul, ich verspreche dir …
Er drückte ihr die Hand, schüttelte sie sanft im Nacken und sagte ergeben: Gib mir noch mal die Diabetikerliste für das Essen, damit ich nix falsch mache. Und Lotta muss mir helfen.
Wie gut, dass Abdul gekommen war, wie gut. Jetzt half er noch beim Mittagessen. Sie fühlte sich getröstet und beschützt.
Nun ja, dachte sie sich. – Weiter geht’s. Mal sehen, wer da klingelt.
Nadjeschda nahm eine Pampers Nr.1, die allerallerkleinste Windel, und ging damit zum Zimmer Nummer 305. Sie klopfte an die Tür und drückte sie gleichzeitig auf. Niemand hatte eine Chance HEREIN zu sagen. Wenn Nadjeschda kam, war kein Halten mehr, Nadjeschda mit der unaufhaltsamen Kraft und der Entschlossenheit der Transsibirischen Eisenbahn.
No wos!, rief sie.
Schiwrin lag regungslos unter der blau karierten Wolldecke und hatte die Nase in die Sofaritze gepresst.
Aber Herr Schiwrin! Soll nicht liegen auf die Sofa. Soll bleiben in Bett!
Die schmalen Schultern bebten. Lachte er? Schnarchte er?
Herr Schiwrin! Ich kann nicht pflegen, wenn du liegst auf Sofa, jetzt ich habe genug! Kommst du, gehen wir duschen!
Oichee, japste Schiwrin. – Njet, brauch nicht waschen.
Mann immer waschen! Muss!!, rief Nadjeschda. MUSS! Was los, Herr Schiwrin, hast du Schmerzen?
Schiwrin schüttelte den Kopf. Er hatte keine Schmerzen. Nur, dass es ihm den Darm ausleerte, den Magen, den Bauch. Alles, was in ihm war, drängte sich aus ihm heraus, der Tumor, die Metastasen überall, es war, als sei sein Körper in Fäulnis begriffen und schüttete sich aus, er musste auf Toilette, ständig. Nadjeschda hielt den mageren Körper fest und half ihm Schritt für Schritt weiter, es hatte bereits begonnen zu riechen, Schiwrin verkam, Tag für Tag ein wenig mehr, doch ein gnädiger Gott hatte ihm den Schmerz genommen. Der Tumor hatte das Schmerzzentrum im Gehirn zerfressen.
Kommst du, noch ein wenig, gutt, Herr Schiwrin, gutt!
Mit leichtem Stöhnen ließ Schiwrin sich auf die Toilettenbrille nieder, Nadjeschda hielt ihn fest, bis er den Haltegriff über der Papierrolle gefunden hatte. Dann zog sie ihm die Hose aus und entfernte die verunreinigte Windel.
So. Jetzt bleibe sitzen fünf Minuten. Komme ich wieder.
Nadjeschda ging hinaus, zerrte das Stationstelefon heraus und telefonierte mit dem Hausmeister.
Hier Station Drei!, rief Nadjeschda. – Hier Schwester Nadjeschda! Müssen kommen Zimmer 305! Sofa rausschmeißen, hier muss Sofa raus! Kann bringen in Keller! … Doch …! Doch …! No …! Ja …! Muss! ….MUSS!
Sie stampfte mit dem Fuß. Sagte noch einmal: MUSS. Dann legte sie auf und ging ins Bad.
Kommst du, Herr Schiwrin, sagte sie, ließ das Wasser aus dem Brausekopf laufen und wusch ihm sanft die Beine und den Po.
Oijoijoi, was machen Herr Schiwrin, guck mal.
Herr Schiwrin aber antwortete nicht. Er sah versonnen in den Wasserstrahl, der jetzt um seine Knie spülte.
Hörst du? Nadjeschda, hörst du das?
Aber was, Jewgeni Schiwrin.
Du hörst es nicht? Nein, alles war still, nur das Wasser lief.
Das Wasser!
Aber was ist mit Wasser? Halte schön fest! Jewgeni legte den Kopf schief und schien zu träumen, gar sich zu wiegen, als sehe er in eine andere Welt, in eine Welt voller Glück. Er summte.
Jewgeni? Was ist mit dem Wasser?
Aber hör doch! Nadjeschda schüttelte den Kopf. – Ich kann nicht hören, Wasser macht blubb blubb.
Schiwrin schüttelte den Kopf und ließ sich glücklich waschen und
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