Die letzten Dinge - Roman
den anderen Zimmern holen.
Das machen wir doch schon jeden Morgen.
Ich wünschte, ich könnte was machen, ich schufte hier schon jeden Tag zehn Stunden und komme nicht durch. An mir liegt es ja nicht.
Also die Betten …
Tun Sie mir ’n Gefallen, rufen Sie das Sanitätshaus an. Das ist eine elektrische Sache, das müssen die machen. Die haben die auch geliefert.
Also gut. Und die Fenster?
Der Hausmeister schüttelte unwillig den Kopf.
Die Fenster und die Türen und die Lampen und die Wände – wie soll ich das denn alles schaffen? Ich brauche noch einen Haustechniker. Meinen Kollegen hatten sie vor vier Wochen entlassen.
Wieso?
Der hat geklaut. Ich sage Ihnen was, Rosalinde. Hier geht alles den Bach runter. Wir alten Kerle, Sie und ich, wir können’s es auch nicht ändern. Weiß nicht, wie die diese Bude noch mal auf Vordermann bringen wollen.
Rosalinde schüttelte nun ihrerseits den Kopf.
Mein Gott, als ich vor zehn Jahren aus dem »Heiliggeist« hierherkam, dachte ich, hier wäre es besser.
Der Hausmeister war müde. Ich habe schon lange keine Lust mehr. Ich sage nur: Wenn ich den Posten im Kaufhof kriege, bin ich hier weg. Man macht sich kaputt für nichts und wieder nichts.
Na, das sind ja Aussichten.
Ich will mir bloß nichts zuschulden kommen lassen, ich mache und tue und mache und tue … aber ich allein … kann das Haus nicht retten.
Ja ja, es sind schwere Zeiten, sagte Rosalinde.
Sie drehte sich um und verließ den Heizungskeller unverrichteter Dinge. Den Heizungskeller mit seiner herzkranken Pumpe. Der halben Lunge. Wie sollte alles werden, wenn nicht einmal das Herz des Hauses richtig warmes Blut durch alle Räume pumpen konnte?
Angst und bang war es Rosalinde, angst und bang und komisch. Wenigstens wollte sie noch einige Windeln wieder mit hochnehmen. Wenn sie schon mal da war. Sie spähte durch das Gitter. Hier die ewige Stille. Links die Toten. Rechts lagen die Moltexpakete für die Station. Und hinter dem nächsten Verschlag standen der alte Schrank, der Fernsehsessel und die schiefe Chiffonlampe der Frau Wissmar. Und hinter ihr der arme, alte herzkranke Ofen, der vor sich hintuckerte, lahm und unregelmäßig und mit letzter Kraft.
Warum dürfen Frauen keine grünen Unterhosen tragen?, fragte Herr Kurtacker und grinste diebisch.
Weil Schnecken gerne Salat fressen, sagte Lotta gehorsam.
Kurtacker grinste und lachte und gluckste und rieb sich die Hände. Lotta stellte das Kännchen mit rabenschwarzem Kaffee vor ihn hin. Schob den Teller mit dem klein geschnittenen Brombeermarmeladenbrötchen daneben.
Guten Appetit!
Kurtacker rollte heran. Sein Pony fiel halb ins Gesicht, dass er fast nichts mehr sah, der Bart stand zwei Millimeter dunkelschwarz über der schneeweißen Haut, Kurtacker machte einen Buckel und stürzte sich auf das Brötchen.
Danke, sagte er, danke.
Lotta sah sich um. Das schmutzige Bett, das halb geschlossene Rollo, die verstreuten Plätzchenkrümel, die leeren Flaschen, was für eine Bruchbude. Hier konnte Kurtacker niemanden empfangen, unmöglich.
Herr Kurtacker …?, fragte Lotta leise.
Ja?
Herr Kurtacker … möchten Sie gerne einmal Besuch haben … von … einer Dame … die … na ja …
Hä?
Kurtacker drehte den Kopf so schnell, dass das Haar zur Seite fiel.
Ich meine … Sie mögen doch gerne … Sie wollten doch so gerne noch mal eine Muschi sehen.
Eifrig kam Kurtacker näher gerollt.
Zeigst du … zeigst du mir deine Muschi??
Nein, ich nicht, Herr Kurtacker … aber ich kenne eine, äm, die würde das machen. Also die würde kommen und die macht so was und – also das kostet 50 Euro.
Wie vom Donner gerührt vergaß Kurtacker seinen Kaffee, vergaß das Brötchen und schniefte nur einmal.
Ich hab da Geld im Nachtschrank. Im Geldbeutel. Brauch ich ja sonst nicht.
Er wollte also! Er war einverstanden! Das musste sie gleich Ivy sagen. Obwohl … heute ging sie ihm besser aus dem Weg.
Wo … wo ist die denn?
Na ja, sie ist vom Strich. Aber sie hat schönes langes Haar und …
Titten?
Ja ja, auch.
Kurtacker regte sich auf und fuhr immer dichter um Lotta herum.
Kann die … hierher … hierher kommen? Wann denn?
Das … das müssen wir noch bequatschen.
Lotta wurde nervös. Draußen warteten noch fünf Kännchen, die wurden kalt.
Also es ist so, Herr Kurtacker. Wenn die wirklich kommen soll … dann … dann müssen Sie sich aber auch duschen lassen. Dann haben wir wirklich Arbeit, dann muss hier alles picobello sein!
Ja! Ja!,
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