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Die letzten Dinge - Roman

Die letzten Dinge - Roman

Titel: Die letzten Dinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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stöhnte Kurtacker und er wandt sich vor Eifer, kurvte mit dem Stuhl und lauschte den Worten nach. – Ja … ja! Wir duschen! Und … und ich habe auch zu viel Bart! Und … die Zähne …
    Na ja, die Zähne, dann müssen Sie eben den Mund halten. Ich muss jetzt ganz dringend weiter, Sie können es sich ja noch mal überlegen!
    Ja! Alles klar! Macht die auch … macht die auch … blasen?
    Na klar. Ist sogar billiger.
    Ouh, ouh! Ouh Mannomann …
    Aber Sie dürfen nie, nie, nie was zu Schwester Rosalinde sagen!!
    Kurtacker nickte und nickte und ihm lief so sehr das Wasser im Mund zusammen, dass er beinahe sein Brötchen nicht mehr essen konnte. Aber wen interessierte schon ein Brötchen, wenn ihm ein Weib bevorstand, eine kesse Hostesse, eine Hobbyhure auf der Flucht! Nein: ein tabuloses Fickweib aus aller Welt, ein versautes Luder, ein nasses Lustweib, eine rattenscharfe Nutte mit einer Muschi, wundgefickt! Kurtacker konnte es nicht fassen!
    Lotta winkte noch mal und grinste, eilte aus der Tür, nahm nervös den Schlüssel, schloss dreifach ab und raste mit ihren Kännchen davon.

Der Frankfurter Wellenschrank   aus der Diele. Der helle, der schmale, der nur eins achtzig breit war, der mit den Lisenen und den Pilastern von 1720. Und außerdem die dreischübige Gründerzeitkommode aus Schwaben, die mit dem eingelegten Zwetschgenholz. Und die Musiktruhe mit den Perlmuttintarsien.
    Die Musiktruhe, die brauchst du doch nicht, sagte der Schreiner Siegmund Brecht, als er mit Klara Eisbrenner durch das Haus ging und sich nach und nach alle Möbel besah und ausrechnete, wie viel sie in das Zimmer im Abendrot mitnehmen konnte.
    Du hörst doch gar keine Platten. Du hast eine Schallplatte »Wein, Weib und Gesang«, eine Schallplatte »Heideglühn« und die »Max Greger Tanzparade 1969«.
    Die Truhe stand unter der Durchreiche von der Küche zum Esszimmer und verschönerte die Ecke ungemein. Klara ging bedächtig zur Truhe und besah sich all ihre Platten.
    Aber ich habe auch noch »My fair Lady« mit Sonja Ziemann.
    Ja, die auch noch.
    Der Schreiner klappte den Zollstock auseinander und vermaß noch einmal die Gründerzeitkommode und den Teppich. Den Fernsehsessel, dachte er.
    Und die »Bergweihnacht« mit dem gemischten Kinderchor.
    Ja, die auch noch.
    Und die Schallplatte vom »Großen Preis« mit Wim Toelke mit 2,50 DM für die Aktion Sorgenkind.
    Ja, die auch noch.
    Die höre ich immer so gern.
    Wenn du willst, Klara, wenn du die Truhe so magst, dann nehmen wir sie mit.
    Der Schreiner schluckte und griff nach dem Taschentuch, während Klara es plötzlich sehr eilig zu haben schien und auf der Stelle umziehen wollte. Sie lief aufgeregt mit kleinen, wackeligen Schrittchen durch den Flur und hielt sich am geschnitzten Geländer fest.
    Hier das Stickbild von der Gerbermühle, das nehme ich auch mit. Und – den Schirmständer. Und – und … hier im Wohnzimmer die Brokatkissen. Die habe ich alle selber gemacht. Den grünen Samt hier in der Mitte in Falten gelegt und dann die Blume hineingestickt.
    Ja, Klara, wir müssen mal sehen, ob wir alles unterkriegen.
    Der Schuhschrank? Klara Eisbrenner hatte nur gute Schuhe von Servas und sie hatte zehn verschiedene Schuhpflegemittel dazu. Außerdem trug sie nur Strümpfe von Hudson und diese wusch sie mit der Hand aus.
    Was noch? Das und das und das. Schnell, schnell wollte sie alles erledigen. Es nur hinter sich bringen. Und sie freute sich, sie freute sich sehr, denn ihr Haus war viel zu groß geworden und viel zu leer. Und wenn sie erst ins Heim ging, dann war sie ihren Lieben da oben wieder ein Stückchen näher gekommen. Sie wollte beten, viel, viel beten, dann war es leichter zu ertragen und ging vielleicht auch schneller. Endlich würde sie an einem Ort sein, wo man sich um sie kümmerte. Das Abendrot hatte ihr gut gefallen, die Schwester Rosalinde war so freundlich gewesen und so lieb und der junge Kerl da hatte ›gnädige Frau‹ gesagt und sich verbeugt und ihr eine Kusshand gegeben. Das war sehr lustig gewesen. Sie mußte nicht mehr kochen. Sich um nichts mehr sorgen. Sie musste nicht mehr Angst haben, wenn sie gestürzt war und alleine auf dem Boden lag. Und der liebe Siegmund wollte sie jeden Tag besuchen.
    Es war alles gut, so wie es war.
    Man musste dankbar sein.

Gianna, Ivy, Nadjeschda, Kevin  , Rosalinde und Lotta saßen um ein Uhr bei der Übergabe und legten heimlich unter dem Tisch die Füße hoch, irgendwo auf eine Stuhlkante oder jemand anderes Knie. Allen

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