Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)
Hämmern in seinem Kopf unerträglich werden. Er wagte nicht, etwas zu unternehmen, solange nicht alle fünf beieinander waren. Doch dann, ungefähr um acht Uhr, kroch Dunbar aus einem dichten Gebüsch am Rand des Lagers, stellte sich an einen Baum und pinkelte, wobei er den anderen zubrüllte, das Lager abzubrechen. Pfeil auf den Bogen, der nun von der vereinten, gewaltigen Kraft von Arm, Schulter und Rücken gespannt wurde, ein tiefer Atemzug und loslassen. Ein Aufschrei von Dunbar, als der Pfeil in seine linke Hüfte eindrang. Drei Sekunden Stille– vier wild um sich blickende Männer. »Was…?«, rief einer.
Das war Handsome Johnny, und der zweite Pfeil traf ihn direkt in den offenen Mund. Er wedelte mit den Armen und fiel auf den Rücken. Einer der übrigen Männer sprang auf und rannte wie ein Hase davon, rutschte aus, schlitterte voller Todesangst in den Schutz der Bäume. Ein in der Eile nicht gut gezielter Pfeil traf ihn in den Fuß, und brüllend vor Schmerzen legte er die letzten Schritte auf einem Bein hüpfend zurück. Der vierte Mann raste in einer anderen Richtung aus dem Lager und blieb unverletzt. Der fünfte Mann saß fast genau in der Mitte des Lagers und rührte sich nicht von der Stelle. Kleist zielte genau, spannte den Bogen, bis er knarrte, und schoss ihm den Pfeil mitten in die Brust. Ein furchtbares, angstvolles Keuchen. Kleist legte einen weiteren Pfeil ein und spannte den Bogen, dann stand er auf und trat vorsichtig in das Lager, wobei er die Pfeilspitze zwischen allen möglichen Bedrohungspunkten hin und her schwenkte. Handsome Johnny würde ihm keine Schwierigkeiten mehr machen. Der zuletzt getroffene Mann kniete mit gesenktem Kopf auf dem Boden und stöhnte, aber jedes mühsame Atemholen wurde von einem seltsam pfeifenden Geräusch begleitet. Niemand konnte dieses Geräusch vortäuschen. Auch er würde Kleist keine Probleme mehr machen, aber er wünschte sich, dass das widerliche Geräusch endlich verstummte. Dunbar lag auf der Seite. Sein Gesicht war grauenhaft blass, die Lippen blutleer.
»Ich hätte dich umbringen sollen«, sagte Dunbar leise, »schließlich hatte ich die Gelegenheit dazu.«
»Du hättest mich in Ruhe lassen sollen, auch dafür hattest du die Gelegenheit.«
»Da hast du Recht.«
»Waffen?«
»Warum soll ich dir das erzählen?«
»Da hast du Recht.« Kleist war nervös– er behielt den Waldrand ständig im Auge. Diese Sache wurde zu riskant.
»Das kann noch Stunden dauern. Gib mir den Rest.«
»Sollte ich wohl tun, ist aber leichter gesagt als getan.«
»Warum? Die zwei dort drüben hast du doch auch ohne Probleme erledigt.«
»Stimmt, aber da war ich noch wütend.«
»Wenn alles gesagt ist, lass ich dich gehen. Bring es zu Ende.«
»Deine Männer werden zurückkehren. Sollen sie es doch tun.«
»Erst in vielen Stunden. Vielleicht überhaupt nicht.«
»Aber ich will eben nicht, verstehst du.«
»Du musst aber…«
Ein lautes Knacken war zu hören, als Kleist den Pfeil abschoss, kaum eine Armlänge von Dunbars Brust entfernt. Dunbars Augen weiteten sich, und er atmete lange aus, scheinbar minutenlang, in Wirklichkeit dauerte es jedoch nur ein paar Sekunden. Glücklicherweise war es damit zu Ende.
Hinter Kleist stöhnte der kniende Mann immer noch laut und pfeifend. Kleist fiel auf die Knie und übergab sich, doch es kam nichts heraus, da sich nichts in seinem Magen befand. Es war nicht leicht, mit leerem Magen zu würgen und trotzdem den Wald im Blick zu behalten. Er hatte den Bogen fallen lassen– er brauchte beide Hände, um nach seinen alten Sachen zu suchen. Dann stand er langsam auf. Und schrie auf.
Fünf Schritte entfernt stand ein Mädchen. Es schaute ihn mit weit aufgerissenen Augen an, warf sich in seine Arme und brach in Tränen aus.
»Danke! Danke!«, schluchzte es und drückte ihn an sich, als sei er ihr lange verloren geglaubter Vater. Die Finger krallten sich voller Erleichterung und Verzweiflung in seine Kleider, und es küsste ihn voll auf die Lippen. »Du warst so mutig, so mutig!« Endlich trat es einen Schritt zurück, und seine Augen wurden vor Bewunderung feucht.
Man brauchte kein eingefleischter Menschenkenner zu sein, um Kleists höchst verblüfften Blick richtig deuten zu können, und auch die allmähliche Veränderung in seinem Gesichtsausdruck, als die junge Frau ihn so verehrungsvoll anschaute. Er sah, wie ihr allmählich dämmerte, dass er nicht zu ihrer Rettung herbeigeeilt war– es war wie ein schneller
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