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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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anzugreifen.«
    »Du kennst dich dort ja sicherlich bestens aus, nicht wahr, mein Kleiner?«
    »Ich weiß, dass das Gebiet größtenteils flach ist– und flach bleibt flach, egal, wo man steht. Die Lakonier könnten gar keinen besseren Kampfplatz finden. Wenn Ihr sie dort angreift, werden sie sich freuen, als hätten sie alle gleichzeitig Geburtstag.« Die Phrase mit dem Geburtstag hatte er oft in Memphis gehört, und sie hatte ihm ungeheuer gefallen. Als er sie jetzt in Boscos Arbeitszimmer zitierte, kam sie ihm allerdings weniger wirkungsvoll vor, schon weil sie gegenüber jemandem vorgetragen wurde, der keinen Geburtstag hatte. Man muss sich erinnern, dass ein Erlösermönch das Recht hatte, jeden Akoluthen zu töten, der etwas völlig Unerwartetes tat oder sagte. Wer weiß, was hätte passieren können, wäre Van Owen weniger überrascht gewesen, dass jemand so mit ihm zu reden wagte und zu allem Überfluss auch noch bewaffnet war.
    Bosco beugte sich leicht über den Schreibtisch und versetzte Cale eine enorm kräftige Ohrfeige. Jetzt war Cale es, der derart überrascht war, dass er nicht reagierte.
    »Ihr müsst ihm verzeihen«, sagte Bosco zu Van Owen. »Ich habe ihm im Interesse seiner Begabung vieles nachgesehen, denn es diente dem Ruhm unseres Erlösers, aber er wird immer eingebildeter und unverschämter. Wenn Ihr uns nun entschuldigen wollt– Ihr werdet jede mögliche Unterstützung erhalten, und ich werde ihn bestrafen. Es tut mir zutiefst leid.«
    Solche Bescheidenheit auf Seiten seines Feindes war für Van Owen beinahe so überraschend wie Cales Unverschämtheit. Der General nickte ein wenig dümmlich. Bosco geleitete ihn zur Tür und schloss sie hinter dem General.
    Kurz bevor sich die Tür schloss, warf der General mit angehaltenem Atem noch einen Blick zurück in den Raum. Cale bot keinen erfreulichen Anblick. Er war kreideweiß vor Wut, mit einer Intensität, die weder er noch Bosco jemals gesehen hatte, weder bei Cale noch bei einem anderen Menschen.
    »In der Schublade links liegt ein Dolch«, sagte Bosco. »Aber bevor du mich umbringst, wozu du durchaus fähig wärst, wie ich weiß, solltest du mich allerdings noch anhören.«
    Cale gab keine Antwort. Sein Gesichtsausdruck änderte sich nicht, aber er regte sich auch nicht.
    »Du warst im Begriff, etwas zu sagen, das die Welt hätte verändern können. Niemals«, sagte Bosco leise, »darfst du einen Feind davon abhalten, einen schweren Fehler zu begehen.«
    Cale bewegte sich zwar immer noch nicht, aber langsam kehrte ein wenig Farbe, eine unmenschlich blasse Röte, in sein Gesicht zurück.
    »Ich werde mich setzen«, fuhr Bosco fort, »auf die Bank dort drüben. Wenn ich fertig bin, kannst du entscheiden, ob du mich tötest oder nicht.«
    Aus Cales Augen wich allmählich der gelblich-wilde Wolfsblick, und ein menschlicher Ausdruck kehrte zurück.
    Bosco stieß einen tiefen Seufzer aus und begann zu sprechen.
    Erst vierundzwanzig Stunden später erschien Cale wieder im Klostergebäude und erzählte Vague Henri, was sich zugetragen hatte.
    »Ich war so dicht dran«, sagte Cale und hielt Daumen und Zeigefinger so, dass sie sich fast berührten, »ihn auf der Stelle zu töten.«
    »Was hat dich davon abgehalten?«
    »Mein Schutzengel. Mein Schutzengel hielt mich davon ab.«
    Henri lachte. »Hat er dir seinen Namen genannt? Ich würde mich nämlich gern bei ihm bedanken, bei deinem Schutzengel. Er hat ja damit auch meinen Kopf gerettet.«
    »Freu dich nicht zu früh. Es gibt nämlich auch noch eine schlechte Nachricht.«
    »Welche?«
    »Bosco hat mit Van Owen eine Vereinbarung getroffen. Der General soll mich und die Purgatoren mitnehmen.«
    »Warum?«
    »Als Beobachter. Er erklärte ihm, dass ich und die Purgatoren trotz unserer Erfolge auf dem Veldt von einem Soldaten wie Van Owen noch eine Menge zu lernen hätten. Und dazu bot er ihm noch ein wenig Schmiergeld an.«
    »Schmiergeld?« Henri riss die Augen auf. Vielleicht gibt es eine Grenze, bis zu der das Menschenherz Abscheu empfinden kann, doch nicht darüber hinaus. Bei Henri war dies der Fall, wann immer er an die Erlösermönche dachte. Trotzdem war die Vorstellung, einer von ihnen habe Schmiergeld entgegengenommen, fast so etwas wie ein Schock.
    »Bosco bot ihm den mumifizierten Fuß des Heiligen Barnabus an«, verkündete Cale. »Van Owen empfindet eine ganz persönliche Verehrung für Sankt Barnabus. Kannst du dich noch an das Zeug erinnern, auf das die Katzen in Memphis so scharf waren?

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