Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
hatte.
»Noh«, sagte sie ganz fröhlich.
»Noch?«, fragte Erbrow.
»Noh«, bestätigte die Kleine.
Yorsh begriff. Er hielt sie gut fest und ließ sie unter der Wasseroberfläche dahingleiten. Lachend schaute Erbrow sich um, zeigte auf einen Seestern und steuerte dann auf einen kleinen Tintenfisch zu, der sich farblich dem Felsen hinter ihm angepasst hatte und nun erschrocken davonschwamm, eine Tintenwolke hinter sich herschleppend.
Sie war wie ein Delfin im Wasser. Yorsh nahm sie wieder auf den Arm, sie hörte nicht auf zu lachen. Er erinnerte sich, dass er sie noch nie berührt hatte, wenn sie ins Wasser gefallen war und Wasser geschluckt hatte. Vielleicht genügte die Berührung, um ihr seine Kräfte zu übertragen. Auch mit der neugeborenen Erbrow hatte er durch Berührung kommuniziert.
Seine Tochter musste seine magischen Fähigkeiten ganz oder teilweise geerbt haben.
»Pass auf, meine Kleine«, sagte er sanft, »wir haben Lungen, keine Kiemen. Wir können so tief hinuntertauchen, wie wir wollen, aber dann müssen wir wieder hochkommen und Luft holen.«
»Uff?«
»Ja, genau. Luft, atmen.«
Yorsh ließ sie wieder ins Wasser hinunter. In Abständen brachte er sie zum Luftholen wieder an die Oberfläche, bis er sich sicher war, dass Erbrow begriffen hatte.
Kapitel 4
Als sie ins Wasser fiel, war ihr dieses in Mund und Nase gelaufen und hatte ihr den Atem genommen. Sie sah nur Schatten. Alles war kalt. Sie wollte schon weinen. Dann hatte ihr Papa sie gepackt und sie hatte wieder Luft bekommen, die Kälte war vergangen und die Augen konnten wieder sehen wie immer. Sie erkannte jede einzelne Faser an ihrem Kleid. Im Wasser hatte sich der Hass des Mannes aufgelöst und war verschwunden. Das Meer hatte dieselbe Farbe wie ihre Augen und es konnte sie nicht töten. Solange sie im Schutz des Meeres war, konnte der Mann des Hasses sie nicht erreichen mit seinem Blick, auch wenn er nicht weit entfernt von ihr war. Papa verstand das nicht, weil der Hass, den der Mann des Hasses gegen ihn hegte, klein war, und Papa war groß, Hass aber ist wie der Wind. Große Menschen bewegt er nur wenig, Kinder jedoch muss man davor schützen und in den Arm nehmen, sonst wirft er sie um. Erbrow war nun nicht mehr wehrlos. Der Mann des Hasses konnte nicht schwimmen. Sie konnte fliehen, wohin er ihr nicht folgen und sie auch nicht mehr ansehen konnte.
Es gelang Erbrow, ihrem Vater zu sagen, dass sie noch im Meer bleiben wollte, und zum Glück verstand er sie, denn er erlaubte es ihr. Er erklärte ihr, wie sie atmen sollte, als ob sie das nicht längst begriffen hätte, und nach einem ziemlich blöden Spielchen mit Auf- und Untertauchen ließ er sie endlich los. Jetzt musste sie fliehen, so schnell sie konnte, so weit weg, wie sie konnte, weit weg von dem Mann des Hasses und seinen Augen.
Das Meer war grenzenlos, schön wie die Welt draußen, mit der es aber überhaupt kein Ähnlichkeit hatte, und außerdem konnte sie hier fliegen. Sie breitete die Arme aus und flog durch das Salzwasser, das sie trug und irgendwie auch umarmte.
Sie traf auf einen Schwarm winziger Fische von einem so blendenden Blau, dass man meinen konnte, es leuchte von innen.
Sie kam zu einer Wand voller seltsamer kleiner Blümchen, gelb wie die Sonne, wenn sie untergeht. Sie waren nicht wie Blumen auf der Erde, die hielten ja still, diese hier aber grüßten sie, als sie vorbeikam, mit festlicher Höflichkeit und schlossen ihre Blütenblätter wie die Finger einer Faust.
Sie kam an eine Wiese mit sehr hohem Gras, wie sie es noch nie gesehen hatte, und über der Wiese stand ein Schwarm Fische mit grünen und goldenen Streifen, die in der Sonne leuchteten.
Sie kam unter einem violetten Baum hindurch, der sich zu einem Fächer öffnete, darunter weiße Sträucher, auch die voller Blümchen, die zum Gruß für vorbeischwimmende Kinder ihre Blütenblätter schlossen.
Zuletzt gelangte sie auf eine grüne Insel voller Vögelchen und kleiner Nester, wo sie aber auf ein böses Vieh traf, das die Unschuld fraß.
Kapitel 5
Die Kleine wollte nichts davon wissen, auf den Arm genommen zu werden; sie wollte weiter im Wasser spielen. Sie machte sich los, tauchte wieder unter und glitt davon, schnell wie ein Fisch. Mit ausgebreiteten Armen segelte sie durchs Wasser wie Zaunkönige oder Möwen in der Luft, dann fand sie heraus, dass sie sich durch einen kräftigen Stoß der geschlossenen Beine fortbewegen konnte, wie Yorsh es auch machte. Sie war genauso schnell wie er.
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