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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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Bibliothek, in der er dreizehn Jahre seines Lebens zugebracht hatte, einhellig zum selben Urteil: Unbewohnte Orte waren entweder so öde und unwirtlich wie ein Skorpionbauch, oder es schwebte irgendeine schreckliche Gefahr über ihnen, die sie für die heikle Kunst des Überlebens ungeeignet machte. Das war das Schicksal von Yernish gewesen, dem mythischen Ort der Greifen, die von Schimären überfallen und vertrieben worden waren; die wurden ihrerseits in einem unerbittlichen Kampf durch die Harpyien ausgerottet und diese wiederum fielen der legendären Dürreperiode in der Zweiten Runenzeit zum Opfer. Als Yernish von einem Dauerregen heimgesucht wurde, der vierzig Tage und vierzig Nächte dauerte und die letzten Harpyien, welche die Dürre überstanden hatten, bis auf das letzte ungefiederte Küken ausrottete, hatten sich ein paar Nomadenstämme in der Gegend niedergelassen, die eine Karawanserei gründeten. Sie bestand nur aus Zelten in den Farben des Windes und der Sonne und hieß Lakkil, was in ihrer Sprache Ort des Glücks hieß.
    »Es macht mich misstrauisch, dass dieser Ort vor unserer Ankunft unbewohnt war. Ich möchte nicht, dass sich dahinter eine Gefahr verbirgt.«
    »Aua.«
    »Genau, Gefahr ist etwas, was wehtut. Andererseits hat sich in all diesen Jahren nichts Gefährlicheres ereignet als ein Gewitter.«
    Yorsh schaute weiter auf den Strand. Im Norden war die weite Bucht begrenzt durch den Felsvorsprung von Arstrid, im Süden wurde sie abgeschlossen von einer sehr hohen, senkrecht abfallenden und absolut unzugänglichen Felsenklippe, die gen Westen tief zerklüftet war und auf ihrer Spitze eine stattliche Kolonie von Seeadlern beherbergte. Das waren kräftige, stolze Vögel, die sich in die Fluten warfen, um mit großen Fischen in den Krallen wieder aufzutauchen, sie hatten einen direkten, eindringlichen Blick, wie er sonst bei keinem anderen Tier zu beobachten ist.
    Dann erkannte er im Uferverlauf wieder die Gestalt von Erbrow, seinem Drachenbruder, wie er in der Sonne ausgestreckt dalag. Der Kopf war der nördliche Felsvorsprung, der Schwanz der südliche; der Körper wurde gebildet von dem weiten, sehr grünen Felsenrund, und der Wasserfall war dort, wo die Flügel am Körper des schlafenden Drachen anlagen.
    »Erbrow«, sagte er gerührt.
    Weil sie glaubte, sie sei gemeint, umarmte das Mädchen ihn und legte den Kopf an seine Brust, doch dann zappelte sie und wollte auf den Boden hinunter. Yorsh küsste sie aufs Haar und ließ sie laufen. Scheinbar war da keinerlei Gefahr, der Boden war aus solidem Stein, darauf saßen Hunderte von weißen Fischreihern, die aufflatterten, als sie vorbeikam, und den Himmel verdunkelten. Ihre Nester waren einfach auf den Felsen abgelegt, darin die Eier oder völlig wehrlose Küken, woraus Yorsh schloss, dass es auf der Insel keine Raubtiere gab, weder Schlangen noch reißende Tiere.
    »Nicht die Nester und die Eier anrühren«, ermahnte er Erbrow, die sie fasziniert betrachtete, »und schon gar nicht die Küken.«
    »Nein aua tschip tschip«, bestätigte sie.
    Er wandte sich nach Norden, wo er glaubte, im Gebüsch versteckte Grotten gesehen zu haben, als Erbrows Stimme ihn zurückrief.
    »Tschip tschip ham ham aua«, sagte sie bestimmt.
    »Ein krankes Huhn?«, übersetzte Yorsh erstaunt.
    »Tschip tschip ham ham aua«, wiederholte die Kleine.
    Sie zeigte auf etwas Großes, Weißes, das sich unterhalb von ihnen in einer kleinen, teilweise von einem Holunderstrauch versteckten Grotte bewegte. Yorsh kam näher. Das war eindeutig das größte Huhn, das er je gesehen hatte, es war fast so groß wie ein Hund. Es hatte herrliches weißes Gefieder, überzogen von silbernen und bläulichen Reflexen, die auch im Halbschatten schimmerten und so schön anzusehen waren, wie wenn die Sonne strahlend über dem winterlichen Meer steht oder das Mondlicht zwischen Wolken hervorbricht. Trotz seines schimmernden Gefieders schien das Tier aber zu leiden. Vielleicht war es nur erschrocken über ihre Anwesenheit. Sie mussten seit unvordenklichen Zeiten die Ersten sein, die ihren Fuß auf die Insel setzten. Das Geschöpf duckte sich und hob eine schrille, unangenehme, vorwurfsvolle und wehleidige Klage an, die einen Stein hätte erweichen können.
    »Tschip tschip ham ham?«, fragte Erbrow.
    »Ich weiß nicht«, flüsterte Yorsh, »ich bin mir nicht ganz sicher, ob das ein Huhn ist. Es ist zu groß dafür und Hühner jammern nicht. Und dann auch das Gefieder … Vielleicht klagt es ja, weil

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