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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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es verletzt ist. Vielleicht kann man es kurieren.«
    »Ham ham!«, meinte Erbrow mit Entschiedenheit. »Ham ham!«, wiederholte sie.
    Yorsh begriff nicht, ob die Kleine hungrig war oder ob sie das vermutliche Huhn essen wollte, weil sie sein Gejammer unerträglich fand.
    »Wie könnt Ihr es wagen, Ihr Unglückseligen?«, fragte das Huhn, seine Klage durch ein aggressives Kreischen ergänzend.
    »Das ist kein Huhn, Hühner sprechen nicht«, stellte Yorsh entschieden fest.
    »Nein tschip tschip ham ham?«, kommentierte Erbrow maßlos enttäuscht, fast verzweifelt.
    »Beklagt Ihr Euch, weil Ihr verletzt oder krank seid?«, fragte Yorsh voller Mitleid. »Eure Klage ist herzzerreißend, wenn ich irgendetwas tun kann, um Euch Erleichterung zu verschaffen …«
    »Mein Herr«, entgegnete das Geschöpf giftig, »mein Gesang ist eine der erhabensten Klangschöpfungen, die es gibt unter dem Himmelszelt, und auch darüber, bei den Göttern der ganzen Welt.«
    »Das muss uns entgangen sein«, murmelte Yorsh.
    »Und wie könnt Ihr es wagen, meinen Frieden zu stören, unverhoffte, ungebetene, unerwünschte Gäste, aufdringliche Grobiane. Ich habe Euch empfangen mit meinem erhabensten Gesang und Ihr antwortet mir in so ungezogener Weise! Ganze Dichtungen wurden zum Lobpreis meiner Stimme verfasst! Oh weh, wie ist die Welt verkommen! Heute ist ein Tag von so unheilvoller Bedeutung, weil ich, an diesen wilden und unwirtlichen Ort versetzt, keinen Spiegel besitze und nicht sicher bin, welches Aussehen mein Gefieder hat, wie viel Silber darin noch glänzt! Welches Unheil, welche Bürde für meine Seele, die Furcht, was sage ich, der Schrecken, was sage ich, das Grauen, dass mein Gefieder sich schon lichten könnte und ich nicht mehr den Neubeginn erreiche, da es mir an der Möglichkeit gebricht, im Spiegel zu betrachten, in welchem Stande meine Schönheit ist …«
    Yorsh war verblüfft und gerührt. Ohne jeden Zweifel, sie waren auf einen Phönix gestoßen. Also stimmte es nicht, dass die Drachen sie ausgerottet hatten.
    »Das ist ein Phönix!«, sagte Yorsh bewegt. »Ein sehr altes und kostbares Geschöpf. Ein Phönix!«
    »Ham ham!«, wiederholte Erbrow hartnäckig.
     
    Nie begriffen sie etwas.
    Sogar ihr Papa nicht. Es gab Tage, da begriff er rein gar nichts.
    Sie wollte nicht sagen, ein krankes Huhn, sondern ein Huhn, das Schaden anrichtet.
    Nicht wie der Mann des Hasses, der einem seinen Blick überwarf wie eine Kappe aus Eis und Dunkelheit.
    Das Huhn nahm weg. Es nahm die Fröhlichkeit weg, die Lust zu lachen. Es verdarb alles.
    Einmal hatte Mama ihr ein scheußliches Tier gezeigt, einen dicken Wurm, der in den Tümpeln beim Wasserfall lebte und Blutsauger hieß. Wenn er sich bei jemandem festsetzen konnte, blieb er dran und saugte, so viel er konnte.
    Das, was ihr Vater Phönix nannte, war eine Art riesiger Blutsauger, und er würde nicht wieder aufhören zu saugen, bis er alles zerstört hatte, was er vor sich sah, und jetzt sah er eben sie beide vor sich.
    Und was das Schlimmste war, das Geschöpf konnte sprechen.
    Sie hatte nicht sagen wollen, dass sie das Huhn essen sollten, sondern dass das Huhn sie aufessen würde. Nicht ihren Körper, sondern was darin war.
    Das bösartige Huhn fraß die Fröhlichkeit.
    Es fraß das Liebhaben.
    Es brachte Streit und missgünstige Gedanken, und was schlimmer war, wenn es das vollbracht hatte, wurde es dadurch nicht weniger missgünstig und unglücklich.
    Die einzig gute Idee war, zu gehen und es zu lassen, wo es war, zu fliehen, so schnell sie konnten.
    Das wäre eine gute Idee gewesen, aber früher oder später würde jemand anderer dieses Riesenhuhn finden und von ihm vernichtet werden. Vielleicht war das der Grund, warum Papa immer noch dablieb.

Kapitel 6
    Yorsh dachte, das Kind müsse wirklich sehr hungrig sein. Nie hätte er für möglich gehalten, dass Erbrow einen solchen Grad an Unhöflichkeit, um nicht zu sagen, Grausamkeit an den Tag legen könnte, ein mit Sprache begabtes Wesen, selbst wenn es aussah wie ein Huhn, verspeisen zu wollen.
    »Werte Dame«, sagte er, »ich bin sprachlos. Zu meinem größten Kummer hatte ich immer gedacht, Eure Art sei ausgestorben. Nun entdecke ich zu meiner immensen Freude, dass Ihr am Leben seid …«
    »Redet keinen Unsinn, törichter Jüngling. Eine stattliche Schar starker und stolzer Phönixe lebt jenseits des großen Ozeans in glücklicher Gemeinschaft. Diesseits des weiten, tiefen Meeres bin ich die einzige Phönixhenne, die überlebt hat,

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