Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
das ist wahr, weil die bösen Drachen uns bekämpft und gelegentlich sogar mit Rosmarin verspeist haben.«
»Ich dachte, das war mit Lorbeer«, murmelte Yorsh, aber zum Glück gingen seine Worte im Rauschen der Brandung unter.
»Tschip tschip ham ham?«, fragte Erbrow hartnäckig.
»Was will das Kindelein wissen?«, fragte die Phönixhenne gereizt und mit einem verächtlichen Blick.
»Sie hat gefragt, ob Ihr ein Huhn seid«, antwortete Yorsh knapp.
»Mein Herr! Wie könnt Ihr nur eine so barbarische Bemerkung dulden?«
»Mit Verlaub, werte Dame, ich kann das ehrlich gesagt nicht so schlimm finden. Meine Tochter ist ein kleines Mädchen, ihr Verstand arbeitet mit Analogien. Wenn ihr ein unbekannter Begriff oder ein unbekannter Gegenstand begegnet, sucht sie diese mit ihr schon bekannten in Verbindung zu bringen. Sie kennt Hühner, Euch kennt sie nicht, also versucht sie, Euch unter den Begriff …«
Die Phönixhenne ließ ihn nicht ausreden.
»Dürfte ich erfahren, junger Herr«, fragte sie giftig und von oben herab, »auf welchen Namen Eure wenig erlesene Höflichkeit hört?«
»Yorshkrunquarkjolnerstrink«, antwortete Yorsh mit einer angedeuteten Verbeugung, sich weitere Erklärungen ersparend. »Stets zu Euren Diensten«, setzte er galant hinzu, in erster Linie, um die Vorstellung zu beenden.
»Ach ja«, sagte die Phönixhenne, »tatsächlich? Ist ja interessant. Der Letzte und der Mächtigste also aus dem Volk der Elfen. Ward Euch dieser Name einfach so zum Spaß gegeben, oder steht tatsächlich fest, dass Ihr der letzte Eures Stammes seid und der mit den größten magischen Kräften Begabte?«
»Der Name wurde mir nicht zufällig gegeben.«
»Der letzte«, fing die Phönixhenne wieder an, deren Stimme immer schriller und verächtlicher wurde. »Es muss ziemlich unangenehm sein, der Letzte eines Stammes zu sein, der nicht einmal in der Lage war, die eigene Ausrottung zu verhindern. Peinlich, peinlich. Aber wenn Ihr der Letzte seid, wie kommt es dann, dass Ihr eine Tochter habt? Ihr werdet Euch doch nicht – Ihr müsst verzeihen, aber in meiner herrscherlichen Großmut und unendlichen Güte widerstrebt es mir, brutal zu sein, und ich wage es kaum auszusprechen – Ihr werdet Euch doch nicht mit Menschen vermischt haben? Allein die Vorstellung erschüttert mich bis ins Mark …«
»Madame«, antwortete Yorsh unter Aufbietung all seiner Höflichkeit, »ich habe die Ehre, ein Wesen zur Frau zu haben, wie sich ein besseres gar nicht denken lässt, und die Freude über diese Gewissheit erfüllt mein Dasein ganz und gar, eingeschlossen die Augenblicke, in denen ich Eure Bekanntschaft machen durfte, die ich nicht unbedingt zu den glänzendsten meines Lebens zählen würde. Wagt nie mehr, weder in meiner Gegenwart noch anderswo, es meiner Gemahlin oder meiner Tochter gegenüber an Respekt fehlen zu lassen. Und was das Überleben von Stämmen angeht, Madame, ich weiß ja nicht, wie es jenseits des weiten, tiefen Ozeans aussieht, aber hier, verzeiht die Offenheit, hier kommen Phönixe nicht eben scharenweise vor.«
Die Bemerkung war sicher unglücklich gewesen. Die Phönixhenne brach in ein derart misstönendes und kreischendes Lamento aus, dass im Vergleich dazu der zuvor gehörte sogenannte Gesang geradezu von Wohlklang und Harmonie geprägt schien.
Yorsh war verblüfft. Nicht zum ersten Mal in seinem Leben stieß er auf eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem, was in den Büchern stand, und der Wirklichkeit. Überall hatte er Schilderungen von der Großartigkeit der Phönixe gelesen, von ihrer Intelligenz, der Schönheit ihres Gesangs, der Kraft ihrer Schwingen. Erbrow, der Drache, allerdings in seiner Großartigkeit hatte von ihnen gesprochen wie von albernen Hühnern. Man musste einräumen, dass diese Beschreibung nicht ganz unzutreffend war. Manchmal hatte Yorsh den Eindruck, dass in den Büchern alles und das Gegenteil von allem geschrieben stand. Auf einem alten Pergament, von dem es hieß, es sei von dem Herrscher selbst verfasst, hatte er eine Beschreibung Arduins gefunden, die ihn als Riesen von sieben Fuß Größe schilderte; ein anderes Mal war ihm ein Buch in die Hände gefallen, wo Esel mit weißen und schwarzen Streifen dargestellt waren, und außerdem gab es da eine verrückte Kuh mit runden Flecken, sehr langen Beinen und noch längerem Hals.
»Gut, werte Dame, ich bitte, die Störung zu entschuldigen. Es war mir eine Ehre, Eure Bekanntschaft zu machen …«
»Tschip tschip ham ham«,
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