Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
zischte Erbrow erbost.
»Es war mir ein Vergnügen, Eure Bekanntschaft zu machen«, wiederholte Yorsh geduldig, wobei er der Kleinen einen tadelnden Blick zuwarf, »und nun verabschieden wir uns, um Euch nicht länger …«
»Mein Herr«, rief die Phönixhenne ihn zurück. »Ich bin übermannt von namenloser Überraschung, Verwunderung befällt mich ob Eures Betragens, das ich bar jeder Höflichkeit finde. Ich frage mich, wie Ihr Euch bei so ungezogenem Benehmen einen Angehörigen des Volks der Elfen nennen könnt.«
»Madame«, antwortete Yorsh, »ich verstehe nicht. Wir hatten den Eindruck, Euch lästig zu fallen, und daher gingen wir davon aus, dass unsere Abwesenheit Euch willkommen sein würde …«
»Ich kann nicht glauben, dass Ihr nun gehen und mich hier meiner hehren Einsamkeit überlassen wollt, meiner tristen Einöde, meiner traurigen Abgeschiedenheit, auf diesem von Gott und den Menschen vergessenen Felseneiland. Ich mit all meinen Jahren …«
»Werte Dame«, erwiderte Yorsh, »Ihr habt mir erklärt, wie unangenehm Euch unser Eindringen war, also verzichten wir auf das Vergnügen, weiterhin Euer Gefieder bewundern zu dürfen, und kehren an unser Ufer zurück.«
»Mein Herr, welch böser Wille, mir Worte zur Last zu legen, die ich selbst wohl ausgesprochen habe, aber in einem Augenblick höchster, von Euch selbst verursachter Verzweiflung«, beharrte die Phönixhenne in immer schrillerem Ton.
»Wahrhaftig böser Wille«, bestätigte Yorsh. »Unerträglich. Wer wollte bestreiten, dass Ihr recht habt? Es wird eine Erleichterung für Euch sein, von unserer Gesellschaft befreit zu sein, also beschleunigen wir unseren Abschied. Meine Dame«, Yorsh grüßte mit einer tiefen Verbeugung, nahm sein Töchterchen wieder auf den Arm und wandte sich zum Gehen.
Er sinnierte kurz darüber nach, dass ein mit Leben und Geist begabtes Wesen sich niemals und über nichts in Sicherheit wiegen sollte. Nach dreizehn Jahren, die er in Gesellschaft eines brütenden Drachen zugebracht hatte, war er sich stets sicher gewesen, für einen Ausbund an Geduld gelten zu dürfen. Er war immer überzeugt gewesen, dass ein brütender Drache ein nicht zu überbietendes Höchstmaß an alberner Missgunst, wehleidiger Verdrießlichkeit und kläglicher Arroganz darstellte. Die, wenn auch kurze Bekanntschaft mit der Phönixhenne hatte ihn eines Besseren belehrt.
Gellend rief die Stimme der Phönixhenne ihn zurück.
»Madame, ich verstehe nicht, was Ihr wollt«, sagte er schließlich, fürchtete zugleich aber, sehr wohl verstanden zu haben, und zwar vom ersten Moment der Unterredung an.
»Mein Herr«, entgegnete die Phönixhenne giftig, »ich rufe die Götter zu Zeugen an, dass ich nicht eben die beste Meinung von Euren Geistesgaben hege, aber selbst Ihr müsstet begreifen, dass es nicht mein Wunsch ist, weitere Jahrhunderte allein auf diesem Felseneiland zuzubringen. Ergo lasst Euch etwas einfallen, auf dass meine glänzende, aber zerbrechliche Person diesen Ort unversehrt, ohne irgendwelchen Schaden zu nehmen, verlassen kann.«
»Euch mitnehmen? Aber werte Dame, diese wunderschöne Insel ist Euer Zuhause, ist Euer unumschränktes Reich. Ich weigere mich, Euch einem so lieblichen Ort zu entreißen, wo Ihr in Sicherheit seid und an Leib und Leben unversehrt bleibt. Wenn wir Euch mitnähmen, müssten wir Euch unsere verheerende Gegenwart aufnötigen, ganz zu schweigen von den anderen Menschenwesen, mit denen wir zusammenleben und die noch schlimmer sind als wir, noch unhöflicher und mürrischer. Wir zwei, meine Tochter und ich, sind bei Weitem noch am meisten mit Höflichkeit gesegnet, da könnt Ihr Euch ausmalen, wie die anderen sind. Bleibt hier. Wir sind Eurer Gegenwart nicht würdig.«
»Nein tschip tschip ham ham uns«, insistierte Erbrow verzweifelt. »Tschip tschip ham ham uns aua.«
»Was faselt dieses … nun, sagen wir, diese Art Kindelein da?«
Wieder brauchte Yorsh ein paar Sekunden für die Antwort. Ein weiterer Grundpfeiler seiner Gewissheiten, die Überzeugung nämlich, dass er niemals den Wunsch verspüren würde, jemanden zu ohrfeigen, war soeben zusammengebrochen.
»Mein wundervolles Töchterchen hat den Wunsch geäußert, die Bekanntschaft mit Euch nicht länger fortzusetzen, aus Angst, Eure Gesellschaft könne für uns nicht förderlich sein. Bevor Ihr nun Klagen anstimmt, Madame, mache ich Euch darauf aufmerksam, dass die Höflichkeit, die ja tatsächlich mit einer harmlosen Form der Lüge verglichen werden
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