Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
Augenblick lang war es, als habe sich ein grauer Schleier vor die Sonne gelegt, und so, die Kleine auf seinem Arm, standen sie da unter den Schwingen der Erinnerung an den Tod.
Yorsh drückte das Mädchen an sich, fühlte sie klein und warm an seiner Brust und in dieser Umarmung löste sich der Schmerz, seiner und ihrer. Die Schwingen des Todes wichen.
»Wie haben ihrer gedacht« sagte er. »Jetzt kehren wir ins Leben zurück. Das Wichtige ist nicht Sterben, sondern wie und warum man stirbt und ob sich jemand an einen erinnert, wenn man tot ist. Auf See zu sterben, ist in gewisser Hinsicht Konsequenz einer Wahl. Wären diese Männer zu Hause geblieben, um ihren Garten zu bestellen und ihre Sardinen zu fischen, hätten sie ein Leben in Sicherheit geführt. Stattdessen wollten sie wissen, was jenseits des Horizonts ist, denn die höchste Berufung des Menschen ist das Abenteuer der Erkenntnis. Ehren wir ihren Mut. Und schauen nach, ob es in all diesem Zeug etwas gibt, was uns dienlich sein kann. Wir müssen nämlich ein Floß bauen, damit ihre Hoheit, die Madame Phönixhenne, ihren kostbaren Allerwertesten sicher an Land bringen kann, aber sag ihr bloß nicht, dass ich mich so ausgedrückt habe.«
»Allerten?«
»Das ist der Körperteil, auf dem man sitzt.«
Yorsh musste lachen. Erbrow lachte mit, und auch wenn es nur ein Lachen von jemand war, der nicht sicher ist, ob er den Witz verstanden hat, brachte es doch die Sonne wieder zum Strahlen.
Das Floß zu bauen, war weniger leicht als gedacht, dafür aber lustiger. An Holz fehlte es nicht. Sie fanden auch eine zertrümmerte Truhe, an der das gold- und silberbeschlagene Schloss noch völlig intakt war. Yorsh legte die Hand darauf und es sprang auf. Erbrow lachte. Ohne ihre geliebte Puppe loszulassen, legte sie ebenfalls die Hand auf das Schloss, und diesmal schnappte es zu. Erbrow ließ es wieder aufspringen, dann wieder zuschnappen.
»Gut«, sagte ihr Vater. »Es ist immer nützlich im Leben, wenn man weiß, wie man Schlösser und Riegel öffnet. Nun hör gut zu, mein Kind, das darfst du nur tun, wenn ich oder die Mama dabei sind, denn es kann sehr gefährlich, ja tödlich sein, aber mir ist es lieber, du weißt die Dinge und lernst sie gleich.«
Yorsh ließ seine Hand über ein Stück trockenes Holz gleiten und es fing Feuer. Er ließ die Flamme ein paar Augenblicke auflodern, dann löschte er sie mit einer Bewegung. Erbrow lachte, dann entzündete auch sie mit einer Handbewegung eine Flamme.
»Sehr gut, mein Schatz, und jetzt pass auf. Feuer bedeutet totale Zerstörung. Es wärmt unsere Nächte und kocht unser Essen, aber es kann auch der absolute Schmerz sein. Die magischen Kräfte stellen sich erst dann ein, wenn man sie zu beherrschen weiß. Das ist bei Elfen so, also müsste es auch bei …«
Yorsh stutzte.
»Ich weiß gar nicht, wie ich dich nennen soll«, bekannte er. »Nein, jetzt, wo ich es mir überlege, weiß ich es ganz genau. Ich werde dich Halb-Elfin nennen. Denn, siehst du, wichtiger als die Worte, die ja nur eine Folge von Silben sind, ist der Sinn, den wir ihnen geben. Halb-Elf, das ist derjenige, der die Kenntnisse der Elfen und den Mut der Menschen als Erbe in sich vereint. Dass der Ausdruck Halb-Elf bisher als Schimpfwort verwendet wurde, ist bloß ein Zeichen für die Verrücktheit der Welt. Wenn das Wort Wasser ein Schimpfwort würde, müssten wir deshalb doch auch nicht verdursten, oder was meinst du? Also, meine wunderbare Halb-Elfin, ohne die Erlaubnis von Papa oder Mama darfst du nie Feuer machen, und nie bei Wind; wenn ein Feuer zu groß wird, lösch es. Jetzt zeig ich dir, wie man das macht.«
Kapitel 7
Um ganz sicher zu sein, dass seine Tochter verstanden hatte, legte Erbrow die Hand ins Feuer und ließ sie ein wenig dort. Er stöhnte auf und nahm die Hand aus dem Feuer, der Handrücken war gerötet und schnell bildete sich eine Brandblase. Erbrow stöhnte ebenfalls. Sie ließ ihre Puppe fallen und hielt beide Händchen an die Brandblase des Vaters. Sie schloss die Augen, und die Anstrengung war so groß, dass sie die kleine Stirn in Falten legen musste. Die Brandblase verschwand, und Yorsh konnte zusehen, wie seine Haut wieder glatt und rosig wurde.
»Und das, wo hast du das gelernt?«, fragte er sie.
»Erbrow aua.«
»Wenn du dir die Knie aufschlägst und ich sie wieder heil mache?«
Das Mädchen nickte.
Yorsh schloss sie in die Arme und hielt sie lang fest. Die Kräfte des Mädchens waren möglicherweise größer
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