Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
Phönixhenne nahm zu, wenn sie sang. Die glanzvolle Verzweiflung des Geschöpfes hatte in Minuten die Eintracht im Dorf zerstört. Viele Stimmen erhoben sich gegen Robi, die niedergeschlagen schwieg, einen schuldbewussten Ausdruck im Gesicht.
»Böse!«, der Ausdruck kam immer wieder.
»Gemein!«, wagte jemand zu sagen.
»Wenn sie Hunger hat, kennt sie nichts.«
Yorsh wollte an die Seite seiner Gemahlin treten und sie schützen, aber wieder war er nicht schnell genug.
»Gut«, antwortete Robi, nachdem sie mit einer aufsässigen Bewegung den Kopf zurückgeworfen hatte, die widerspenstigen Haarlocken und jeden Ausdruck von Schuld aus ihrem Gesicht vertreibend. »Meine Herrschaften, ihr habt mich überzeugt. Ich bin nicht würdig, mit diesem Geschöpf zu verkehren, das in meiner Nähe das grausame Schicksal zu erleiden droht, als Braten zu enden.«
Empörtes Murren erhob sich in der Menge, Robi aber war unbeeindruckt.
»Wer möchte das Federvieh zu seiner Rettung aufnehmen?«
Alle rissen sich darum. Am Ende gewannen Cala und Caren Aschiol. Er nahm die schimmernde Phönixhenne liebevoll in den Arm und ging nach einem verächtlichen Blick auf Robi mit verzücktem Lächeln davon.
»Ich bin sicher, für euch wird es eine Freude sein«, versicherte sie ihm.
Yorsh sah Robi an. Robi besaß Entschiedenheit, Intelligenz, rasche Entschlusskraft, aber auch eine gewisse … um ehrlich zu sein … nicht dass das ungerechtfertigt wäre … eine gewisse … der Ausdruck war hart, aber anderes fiel ihm nicht ein … eine gewisse Grausamkeit.
Je länger er darüber nachdachte, desto mehr gelangte Yorsh zu der Überzeugung, dass die Ähnlichkeiten zwischen Robi und Sire Arduin, wie die Überlieferung von ihm berichtet, zu zahlreich waren, um zufällig zu sein.
Erbrow seufzte, und diesmal vor Erleichterung.
»Nein Mama aua«, sagte sie.
»Ja«, antwortete ihr Vater fröhlich. »Mama bleibt nie in den Nesseln sitzen.«
Kurz vor Morgengrauen klopfte jemand an die Tür. Es war Caren Aschiol mit der Phönixhenne im Arm. Ein Stück von Calas dürftiger Kleidung war dazu verwendet worden, ihr den Schnabel zuzubinden. Caren Aschiol wirkte verlegen und Yorsh war sehr verständnisvoll. Im Namen der Heiligkeit der Freundschaft nahm er das Federvieh zurück. Caren Aschiol schwor ihm ewige Treue.
Kapitel 8
Robi wünschte sich, dass die Götter nicht nur existieren möchten, woran sie gelegentlich ihre Zweifel hatte, sondern auch dass einer von ihnen die Freundlichkeit besitzen möge, die Menschheit im Erdboden versinken zu lassen, oder doch wenigstens sie selbst, damit sie niemandem mehr ins Gesicht zu schauen brauchte.
Was sie gesagt hatte, war unsinnig gewesen, grausam und schrecklich. Sie war wütend und verzweifelt.
Sie hatte sich aus der Ruhe bringen lassen und das durfte sie nicht. Wenn sie aus der Ruhe kam, sagte sie Dinge, von denen sie später wünschte, sie niemals gesagt zu haben. Sie hatte einem mit Sprache begabten Wesen, dessen einziges Vergehen war, sie beleidigt zu haben, ein Schicksal angedroht, das schlimmer war als der Tod. Es war, um einen von Yorshs Lieblingsbegriffen zu verwenden, nicht höflich gewesen, die Phönixhenne mit einem Huhn zu verwechseln, obschon es da eine erhebliche Ähnlichkeit gab und auch nicht einzusehen war, woraus sie hätte folgern sollen, dass diese Art Huhn zweitausend Jahre alt war und ein halbes Dutzend Sprachen beherrschte, das heißt fünf mehr als sie selbst. Obendrein hatte sie ausgerechnet in diesem Augenblick voller Rührung festgestellt, dass ihr Kind die Fähigkeiten des Vaters besaß; sie war gerührt gewesen, erfreut und begeistert, aber sie hatte sich auch – getroffen war ein zu starkes Wort, sie hatte sich ausgeschlossen gefühlt. Sie hatte sich anders gefühlt, das war’s. Die beiden, so außergewöhnlich, einander so ähnlich in ihrer Geschmeidigkeit; sie dagegen irdisch und menschlich, manchmal auch barbarisch, in jedem Fall aber plump. Als sie die Phönixhenne sah, hatte sie sie sofort für ein Huhn gehalten, ohne eine andere Möglichkeit überhaupt in Erwägung zu ziehen. Nicht nur weil sie keinerlei Wissen über alte Kreaturen besaß; ebenso wie sie über keinerlei Kenntnisse in den alten Sprachen verfügte, ganz zu schweigen von allem Übrigen, von Alchemie bis Zoologie, über Astronomie und Geschichte; sie konnte nur lesen und schreiben, weil Yorsh es ihr beigebracht hatte. Sie hatte es auch aus dem instinktiven Bedürfnis heraus getan, das Gespräch auf
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