Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
essen können, und alle sagten: »Nein, wirklich?«, wenn Robi ihnen erklärte, dass das Geschöpf kein Huhn, sondern ein Phönix sei, zweitausend Jahre alt, und sechs Sprachen spreche. Alle waren fasziniert von dem schönen Gefieder, und alle meinten, es müsse etwas ganz Besonderes sein, ein solches Tier im Haus zu haben. Robi fragte, ob jemand diese wunderbare Gesellschaft zu haben wünschte, aber die Bewohner von Arstrid waren mit der Kunst des Verhandelns vertraut, schon lang bevor sie überhaupt auf die Welt kam, und zu deren Grundprinzipien musste radikales Misstrauen gegenüber jedwedem spontanen und kostenlosen Angebot gehören. Höflich, aber bestimmt lehnten sie ab.
Nach den ersten Tagen bemerkte die Phönixhenne, dass Robi ihre Drohungen nicht wahr machen würde, und fing wieder an zu sprechen. Nicht mit ihr, sondern ausschließlich mit Yorsh.
Es war ein kalter, nebliger Morgen. Steif vor Kälte hockten Yorsh und Robi vor ihrem Haus und besprachen das unlösbare Kleidungsproblem.
Sie alle waren halb nackt wie die Wilden und voller Sorge, weil die Kinder genauso unbekleidet waren; aber wenn man die Kleinen herumtollen sah wie junge Wölfe, hatte es den Anschein, als ob ihnen die Nacktheit nicht schadete.
Der Mangel an Stoff bedeutete jedoch auch, dass es keine Segel gab.
Sie hatten ein paar Flöße gebaut, was ihnen erlaubte, in der Bucht zu kreuzen und mit primitiven, aus Stroh geflochtenen Netzen Jagd auf Sardinen zu machen. Die Kraft ihrer krummen und schiefen Ruder war allerdings nicht ausreichend, um es mit den Strömungen zwischen den Inselchen aufzunehmen, die die Bucht abschlossen, Strömungen, die umso stärker waren, je schmäler der Wasserkanal war. Ohne Segel würden sie es nie schaffen, die Inseln zu erreichen oder gar aufs offene Meer hinauszufahren, um über den Horizont hinauszuschauen.
»Ich habe nicht verstanden, mein Herr«, begann die Phönixhenne, ohne Rücksicht darauf, dass Robi gerade die Möglichkeit erörterte, die Federn zu sammeln, die man in verlassenen Nestern fand, »wer oder was an diesem Ort auf den Namen Erbrow hört. Es will mir scheinen, das ist der Name Eures Kindeleins, ein merkwürdiger Name für ein Mädchen.«
Yorsh erklärte, das sei der Name des letzten Drachen gewesen, und bei dem Wort Drache zuckte die Phönixhenne zusammen. Yorsh musste einräumen, dass es nicht richtig gewesen war, dass die Drachen die Phönixe verfolgten, gleichzeitig aber auch gestehen, dass seine Liebe und Dankbarkeit für den letzten der Drachen grenzenlos waren.
Außer ihrem Mädchen war auch das Dorf auf diesen Namen getauft worden und folglich die ganze Bucht, an der es lag.
Die Phönixhenne schien verblüfft.
»Es ist üblich«, sagte sie, »den Namen einer nach Form, Eigenschaften und Farbe ähnlichen Kreatur zu geben. Außerdem sollte nicht vernachlässigt werden, dass es Brauch ist, Mädchen weibliche Namen und Jungen männliche Namen zu geben. Nun sind aber Euer Kindelein und das oben erwähnte … wie soll ich sagen … Reptil …«
»Nach Form, Ausmaßen und Farbe sind das Mädchen und der Drache vollkommen verschieden«, unterbrach Yorsh sie, »aber was ihre Loyalität angeht, ihre Großzügigkeit, Intelligenz und ihren Mut, ähneln die beiden Geschöpfe des Namens Erbrow sich wie ein Tropfen Wasser dem anderen. Was das letzte Thema angeht, das Ihr angeschnitten habt, so erinnere ich mit absoluter Gewissheit, dass der letzte Drache mit dem Namen Erbrow, als ich ihn traf, soeben ein Ei gelegt hatte und es bebrütete, weshalb …«
»Mein Herr«, unterbrach ihn die Phönixhenne, »Ihr werdet Euch doch hoffentlich nicht unterstehen, in meiner Gegenwart von einem so … unschicklichen Thema zu sprechen?«
»Dass Hühner Eier legen, darf man sagen, oder ist das auch unschicklich?«, fragte Robi dazwischen, der das Ganze schon wieder anfing auf die Nerven zu gehen. Sie empfand diese Art, sie andauernd von der Unterhaltung auszuschließen und sich nur an Yorsh zu wenden, als blanken Hohn. Die Phönixhenne warf ihr einen verächtlichen und hochmütigen Blick zu, und da sie ihr Thema noch nicht erschöpft hatte, sprach sie weiter.
»Es ist ziemlich schlau, einem Drachen, einem Dorf, einem Mädchen und einem Ort denselben Namen zu geben, sodass man nie weiß, wovon die Rede ist«, kommentierte sie. »Habt Ihr lang darüber nachgesonnen oder seid Ihr spontan auf die Idee gekommen? Ganz zu schweigen von dem Grauen, den es bedeutet, wenn einem Vernichter von Phönixen so viel
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