Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
Verehrung entgegengebracht wird.«
»Madame«, platzte Robi erbost heraus, »ich schulde dem Drachen, der den Namen Erbrow trug, ewige Dankbarkeit. Ohne sein Opfer wären wir alle hier nicht am Leben; vier Jahre lang war mir sein Bild Trost in meiner Einsamkeit, und nie hätte ich gedacht, dass er mir mehr fehlen könnte, als er es immer schon tat, doch seitdem Ihr an diesen Gefilden gelandet seid, Madame, wächst meine Sehnsucht nach ihm von Stunde zu Stunde und steigert sich ins Unermessliche. Ich erlaube mir, Euch daran zu erinnern, dass weder ich noch mein Sprössling dem Volk der Elfen angehören. Wir haben deshalb überhaupt keine Scheu, jedwedes Lebewesen zu verspeisen, das kochbar ist, und Ihr seid es.«
Die Phönixhenne verzog keine Miene.
»Madame«, antwortete sie eisig, »ich will nicht ausschließen, dass Ihr allein imstande wärt, einen solchen Plan in die Tat umzusetzen, aber Euer Gatte würde Euch das nicht gestatten.«
Robi verschlug es den Atem. Das war absolut wahr. Nein, es war absolut falsch, selbst wenn Yorsh nicht da gewesen wäre, hätte sie niemals auch nur daran zu denken gewagt, ein mit Sprache begabtes Wesen zu töten und zu verspeisen. Die Worte der Phönixhenne unterstrichen den Unterschied, der zwischen ihr und Yorsh bestand und immer bestehen würde, ja, sie ließen ihn riesengroß und damit unüberbrückbar erscheinen. Sie selbst hatte diese Antwort herausgefordert, sie hatte sie verdient.
Wer noch weniger eine Miene verzog als die Phönixhenne, war Yorsh.
»Madame«, entgegnete er ruhig, »was Ihr gesagt habt, entspricht der Wahrheit. In ihrer Rede hat meine Gemahlin eine Hyperbel verwendet, eine effektvolle rhetorische Figur, die eine übertriebene, eine exzessive Sprache gebraucht. Meine Gemahlin würde Euch niemals verspeisen, hielt es aber für angebracht, Euch dies anzudrohen, ist das doch eine wirksame Methode, Euch zum Schweigen zu bringen, denn Euer Gerede ist unangenehm. Da die Androhung, Euch zu essen, damit wirkungslos geworden ist, will nun ich Euch eine glaubwürdige und realistische Drohung vor Augen führen. Solltet Ihr noch einmal wagen, es meiner Familie gegenüber an Respekt fehlen zu lassen, so werde ich Euch auf das Floß setzen, wieder auf die Tischlein-Insel zurückbringen und Euch dort bis ans Ende Eurer Tage, die, wie ich fürchte, ungezählt sind, lassen, mit Sicherheit aber bis ans Ende meiner Tage, die in Eurer Abwesenheit bestimmt glücklicher verlaufen.«
Robis Beklemmung war mit einem Schlag verflogen. Sie fragte sich, wie sie wegen des dummen Geredes eines dummen Geschöpfes so verzweifelt hatte sein können. Jetzt erschien ihr das alles absolut nebensächlich.
Die Phönixhenne schwieg nicht, sondern stimmte wieder ihre verzweifelte Klage an. Alles Schrille war daraus verschwunden. Mit sanfter Stimme beschwor sie, während der Glanz ihres Federkleids zunahm, ihre uralte Traurigkeit, die unendliche Einsamkeit, die abgrundtiefe Verzweiflung ihres Lebens, in dem durch die Jahrhunderte niemals auch nur der Abglanz eines Trostes sichtbar geworden war. Auch diesmal liefen die Leute aus dem Dorf zusammen. Die Proteste gegen die Härte in Robis Charakter waren jedoch wesentlich zurückhaltender. Cala und Caren Aschiol ließen sich nicht blicken. Die Phönixhenne wurde der Familie Solario anvertraut, die darum gebeten hatte, sie zu sich nehmen zu dürfen, wenn auch nicht sehr überzeugt. Solario und seine Gemahlin waren sehr schnell wieder zurück und flehten Yorsh und Robi an, das bösartige Geschöpf zurückzunehmen und ihnen zu verzeihen.
»Ihr Weinen erregt sehr großes Mitleid«, bemerkte Yorsh, »aber es muss sehr anstrengend sein. Sie kann es nicht länger durchhalten. Sie kehrt sofort zu ihrem Gezeter und ihrem Geschimpfe zurück und dann erträgt keiner sie mehr. Und auch das Mitleid, das diejenigen überkommt, die sich von ihrer Verzweiflung rühren lassen, wird mit jeder Wiederholung geringer.«
»Sie ist ein albernes Geschöpf, das mit allem unzufrieden ist, aber ich fürchte, wir werden uns ihrer annehmen müssen«, antwortete Robi; in gewisser Weise galten sie als die Oberhäupter des Dorfes. »Nachdem wir verstanden haben, was ihre Waffen sind, kann sie uns nicht mehr schaden.«
Die Sonne stieg höher und der Nebel verflog, die Luft begann sich zu erwärmen. Auf den kalten Morgen folgte ein klarer, milder Tag. Der Strand war überflutet von Licht. Winzige Wölkchen sprenkelten den Himmel, schaukelten in der leichten Brise. Weit
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