Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
jenseits der Wolken mühte ein Viertelmond sich redlich, mit seinem schwachen Licht auch am Tageshimmel zu leuchten. Träge segelten die Möwen dahin und ihre Schreie erfüllten die Luft.
Wenige Schritte vom Ufer entfernt wateten Yorsh und Robi zwischen den Felsen durchs Wasser, die aus dem sandigen Grund ragten, um eine riesengroße Krabbe mit sehr langen, dünnen Scheren zu fangen. Ein wirklich enorm großes Tier. Robi begann, sie auszunehmen; kaum etwas machte sie glücklicher, als zu sehen, wie ihr Kind sich am Essen gütlich tat.
Robi kannte den Hunger. Er war das bestimmende Moment im Waisenhaus gewesen. Auch Yorsh, Waise in jeder Hinsicht, hatte den Hunger gekannt, sowohl vor als auch nach seiner Flucht vom Elfenplatz, wo er eingesperrt gewesen war. Ihr Kind sollte nie erfahren, was das war, Hunger, auch wenn sie und Yorsh es mit dem Teufel aufnehmen mussten, um ihm etwas zu essen zu besorgen. Sie und Yorsh waren besonders geschickt im Jagen. Yorsh nahm geistig Verbindung zur Beute auf und konnte ihren Standort ausmachen. Das Töten war eine Pein für ihn, aber damit Erbrow etwas zu essen bekam, war er zu allem bereit, selbst durch die Unterwelt zu gehen oder einen Pfeil auf eine Goldbrasse abzuschießen. Robi hingegen wusste wie ihr Vater einen Augenblick vorher, in welche Richtung die Beute fliehen würde. Es hatte einige Zeit gedauert, bis ihr bewusst wurde, dass das eine besondere Gabe war, die nicht alle besaßen.
Was sie ebenfalls freute, war, dass Yorsh angefangen hatte zu essen wie sie. Das heißt, er hatte den Abscheu der Elfen, etwas zu essen, was gedacht hatte, abgelegt. Zuerst hatte er nur ein bisschen gekostet, aber jetzt ernährte Yorsh sich wie alle anderen und nicht aus Hunger. Yorsh aß, weil er das so wollte. Er wollte sein wie sie.
Wie sie und Erbrow.
Gleich am Tag ihrer Hochzeit hatte er damit angefangen und eine halbe Napfschnecke verspeist. Seit Erbrow geboren war, tat er das, begleitet von komischen und begeisterten Äußerungen des Entzückens, die das Mädchen zum Lachen reizten und sie ehrlich gesagt auch. Mit der Zeit war er von Schnecken zu Muscheln und Krebsen übergegangen, bis hin zu Tintenfischen und sogar Brassen.
Während Robi arbeitete, kam die Phönixhenne mit ihrem wiegenden Gang eines überdimensionierten Huhns heran, der lange Hals bog sich nach links und rechts, das Gefieder glänzte in der Sonne.
Der Tag war so schön, dass Robi meinte, bei allem bösen Willen und mit seinem ganzen Hochmut würde nicht einmal das alberne Federvieh es zuwege bringen, ihr die Laune zu verderben. Nach Yorshs Worten vom Vormittag war sie sicher, dass nichts sie jemals in ihrem Glauben an sich selbst und ihren Gemahl erschüttern könnte.
»Gestattet Ihr, Madame«, begann die Phönixhenne, nachdem sie sich auf dem Stamm einer Strandkiefer niedergelassen hatte, der vom Wind so niedergebeugt war, dass er dicht am Boden über den Sand hinkroch, »dass ich mich mit Euch unterhalte?«
»Das Vergnügen ist ganz auf Eurer Seite«, antwortete Robi munter. »Ich würde lieber allein bleiben, da ich zu tun habe.«
Die Phönixhenne erhob wieder ihren todtraurigen Gesang und Robi unterbrach sie.
»Schon gut, bleibt nur.« Sie wollte nicht, dass sich die schon bekannte Szene wiederholte, Leute herbeiliefen, jemand es übernahm, das arme Geschöpf trösten zu wollen, um es wenig darauf beschämt zurückzugeben. »Sprecht ruhig mit mir. Ich gebe Euch mein Wort, dass ich heute nicht die Geduld verlieren werde.«
»Euer Wort?«, fragte die Phönixhenne.
»Mein Wort«, bestätigte Robi.
Hinter dem Phönix sah sie das Meer funkeln. Yorsh und Caren Aschiol waren dabei, aus Schilfgeflecht eine Reuse für Tintenfische zu bauen. Weiter hinten ging Cail Ara mit dem kleinen Chicco auf dem Arm und sammelte gemeinsam mit anderen Kindern Tellmuscheln. Chicco war ein prächtiger Junge, kräftig und fröhlich, er war nur wenige Tage nach Erbrow auf die Welt gekommen.
»Ich wollte nur sichergehen, denn ich habe Euer Temperament mittlerweile kennengelernt und weiß, wie sehr es zu plötzlichen Zornesausbrüchen neigt.«
Robi schluckte. Zweifel stiegen in ihr auf, die Verlässlichkeit ihrer Ruhe womöglich überschätzt zu haben und vielleicht auch die ihrer guten Laune, als sie dem Federvieh erlaubte zu bleiben, aber jetzt war es zu spät.
»Ich wollte mit Euch über Euren Gemahl sprechen«, begann die Phönixhenne.
»Ich höre.«
»Seht Ihr, Madame, die Angehörigen des Volks der Elfen waren stets von
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