Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
ihres Gemahls. Alles verklang neben seiner Stimme. Immer aufs Neue wiederholte sie sich im Kopf das Wort »Gemahl«. Er war ihr Gemahl. Sie waren zusammen und Erbrow war ihr Kind. Nur noch undeutlich erinnerte sie sich an die Worte, die ihr solche Qual bereitet hatten.
»Die Würmer werden dich fressen«, stammelte sie noch. Die Tränen, die ihr übers Gesicht liefen, begannen, weniger zu werden, wie die Tropfen eines Sommergewitters, wenn die Wolkendecke aufreißt und der blaue Himmel wieder erscheint.
»Aber meine Gebieterin«, wandte Yorsh ein, um sie zur Vernunft zu bringen. Er breitete sogar die Arme aus, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen. »Ganze Heerscharen von Würmern haben die Wachteln und Fasane genährt, mit denen Euer Vater Euch als Kind gefüttert hat. Nun nähren fette Regenwürmer, durch Unwetter von den Klippen heruntergespült, die Goldbrassen, die unseren Hunger stillen. Es wäre eine unverzeihliche Unhöflichkeit, sich da nicht revanchieren zu wollen!«
Obwohl sie noch nicht aufgehört hatte zu weinen, musste Robi doch unwillkürlich lachen. Glücklich klatschte Erbrow in die Hände.
Schwankend zwischen Lachen und Weinen, sah Robi ihren Gemahl an.
Er war nicht mehr unsterblich.
Sie würden gemeinsam sterben. In hohem Alter. Hand in Hand.
»Weißt du …«, fing sie an. Es war weniger leicht als gedacht, sie hatte zu lang gewartet, und jeden Tag, den sie zögerte, wurde es peinlicher zu gestehen, warum sie so lang gezögert hatte. »Weißt du, mein Name …«
Sie konnte nicht ausreden. Ein Aufschrei Erbrows unterbrach sie.
Gleichzeitig wandten Robi und Yorsh sich dorthin, wohin das Mädchen entsetzt zeigte.
Die Phönixhenne brannte. Es war ein fantastisches Spiel der Flammen, vor dem dunklen Horizont strahlte das Feuer in einem mit Silber und Gold vermischten Licht von unbeschreiblicher Schönheit.
Das Feuer dauerte fast die halbe Nacht lang. Der Nordwind, der über den Strand hinwegfegte, konnte es nicht löschen, im Gegenteil, er fachte die Flammen noch weiter an und sie wurden dadurch noch prächtiger.
Hell und in allen Farben loderten die Flammen empor, widergespiegelt auf dem dunklen Grund der Wellen, zugleich aber trug der Wind einen entsetzlichen Gestank nach verbranntem Fleisch zum Dorf.
Viele Einwohner eilten herbei. Fast alle versuchten immer wieder, das Feuer mit Meerwasser oder durch Einsatz ihrer spärlichen Kleidungsstücke zu löschen, es hielt jedoch allem stand. Sämtliche Kinder, angefangen von Erbrow, weinten vor Entsetzen.
Robi war außer sich wegen des Schreckens der Kleinen, die aber nicht wegzubringen war, sie klammerte sich überall fest, um nur ja dazubleiben. Außer der Sorge plagten sie auch Schuldgefühle wegen dieses blöden Geschöpfes, und Wut, denn in der einen oder anderen Weise hatte es sie alle im Griff.
Am unbekümmertsten war Yorsh, der mehrfach wiederholte, er sei sicher, dieser in Abständen wiederkehrende Brand sei ganz normal bei einem Phönix, aber als Stunde um Stunde verstrich, wurde auch seine Sicherheit etwas wankend.
Endlich, als der Mond untergegangen war, erloschen die blauen und silbrigen Flammen, und die Phönixhenne erschien wieder. Zum Blau und Silber in ihrem Gefieder war ein goldener Schimmer hinzugetreten. Auch in der Gestalt hatte sie sich verändert, und nicht zu ihrem Vorteil. Die ohnehin schon lächerlich kurzen Flügel, die keinerlei Flugbewegung erlaubten, waren noch kürzer geworden. Der Hals war länger, der Schnabel stärker gekrümmt und der Kopf fast völlig kahl. Das alles verringerte die Ähnlichkeit mit einem Huhn, verstärkte jedoch die mit einem fantastischen Geier, in den Farben der Morgenröte und des Meeres.
Endlich beruhigten sich Erbrow und die übrigen Kinder. Nach und nach gingen alle schlafen.
Völlig verzweifelt, ja gänzlich aus dem Häuschen, nahm Robi Erbrow auf den Arm und pflanzte sich vor der Phönixhenne auf.
»Wenn du noch einmal mein Kind zum Weinen bringst, dann dreh ich dir deinen verwanzten Hals um«, drohte sie ihr, fahl vor Zorn im Gesicht.
Dann machte sie kehrt, um die Kleine schlafen zu legen. In den Flammen musste außer dem letzten Rest Höflichkeit auch das Gedächtnis der Phönixhenne zugrunde gegangen sein, denn mit einer deutlich höheren und schrilleren Stimme als vorher erklärte sie, nicht zu wissen, wer zum Teufel diese grässliche Person sei und in jedem Fall sei sie, der Stolz der Schöpfung und die Zierde der Welt, nicht bereit, Drohungen von irgendeinem
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