Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
Klüften hängt, wo kein Frühling und keine Sonne hingelangt, hat uns so anfällig gemacht, dass wir untergegangen sind. Furchtsam haben wir stillgehalten, voller Angst vor dem Leben, das seinem Wesen nach Wandel und Zerstörung ist, und so sind wir einer nach dem anderen gestorben. Mein Volk ist untergegangen, weil es ihm an dem Mut gebrach, den Tod anzunehmen, das letzte Geschenk, welches das Universum für die Lebenden bereithält. Jede Braut bringt ihrem Bräutigam ihren Mut als Gabe dar, wenn sie einwilligt, ihn zu lieben, denn in der Geburt eines neuen Lebens reichen Leben und Tod sich die Hand. In einem Volk, das zur Unsterblichkeit verdammt war, hielt man diese Gabe für zu groß, als dass man sie erbeten oder auch nur angenommen hätte. Trotzdem sind wir ausgestorben, ermordet, gemetzelt, dahingerafft von Hunger und Traurigkeit. Wir sind gestorben. Das Menschengeschlecht wusste, dass der Tod Teil des Lebens ist, dass sie untrennbar miteinander verbunden sind. Die Elfen wollten das nicht wahrhaben und haben ihr Geschick verwirkt, indem sie stur an der Unsterblichkeit festhielten und sich dann eben darauf versteiften, Fliegen wieder zum Leben zu erwecken.«
»Du begreifst nicht«, sagte Robi mit versagender Stimme. Erbrow erschrak und floh in die Arme ihres Vaters. »Du begreifst nicht. Die Zähne werde dir ausfallen und … die Haare auch!«
»Gut, dann werde ich eben beim Sprechen spucken wie der alte Fischer von Arstrid, und morgens werde ich mir mit einem Tuch den Schädel polieren, damit er in der Sonne schön glänzt. Es gibt wenig, was mir abscheulicher vorkäme als eine alberne und ewige Jugend, die mich meinen eigenen Kindern gleichmacht. Mein weißes Haar oder die Falten, die sich in meinem Gesicht bilden, sollen meine Kinder daran erinnern, dass ich nicht ihr Bruder und Freund bin, sondern ihr Vater. Wenn sie meine schrundigen und fleckigen Hände sehen, sollen sie daran denken, dass ich der bin, der sie gezeugt hat, denn sonst werden sie nie wissen, bei wem sie sich Sicherheit und Trost holen können. Meine Kinder sollen sich unser annehmen in unserer Gebrechlichkeit, damit sie Barmherzigkeit lernen. Wie könnten sie das, wenn wir die Kraft der Jugend niemals verlören? Von allem Unglück auf der Welt scheint mir das Schlimmste, ein Kind überleben zu müssen, es dem Tod überlassen und es begraben zu müssen. Das würde ich selbst meinem ärgsten und verhasstesten Feind nicht wünschen. Wenn ich mich verändere, wirst du mich dann wirklich nicht mehr mögen? Robi, meine einzige Liebe, wirst du mich wirklich weniger lieben, wenn ich spuckend rede wie der alte Fischer oder mein Schädel von der Sonne verbrannt ist, weil nackt wie eine frisch geschlüpfte Möwe? Auch dein Gesicht und dein Lächeln werden sich ändern und dabei die Erinnerung an die Sonne bewahren, die deine Haut gerbte, während du Krebse sammeltest und wir sie dann gemeinsam verzehrten, aber deswegen bleibt meine Liebe zu dir doch immer gleich, wächst von Tag zu Tag, deshalb wird das Glück des Zusammenseins mit dir von Tag zu Tag größer und strahlender. Dein Körper wird die Spuren tragen von der Geburt unserer Kinder, dein Haar die Spuren der Zeit, die wir Hand in Hand miteinander gegangen sind. Seitdem ich weiß, dass meine Tage gezählt sind, haben sie ein Vielfaches an Glanz gewonnen; die immens große Bewegung der Sterne und die winzige eines Grashalms haben ihr Maß bekommen, weil die Zeit einen Wert hat. Meine geliebte Herrin, in Eurem Blick liegt die Kühnheit des Falkenflugs und die Zärtlichkeit der Sonnenreflexe auf dem Wasser. In dem Lächeln, womit Ihr Euch über unser Kind beugt, liegt das Licht der Sonne, die die Erde wärmt. Im Lächeln, das Ihr zeigt, wenn ich mich über Euch beuge, liegt das Geheimnis des Mondlichts, wenn es leise zwischen Wellen und Wolken spielt. Meine Gebieterin, Ihr besitzt die Kraft eines kampfbereiten Heeres und nichts kann Euch bezwingen, auch der Tod nicht, denn nicht einmal ihn fürchtet Ihr. Meine Gebieterin, ich bitte Euch, weint nicht. Euch Schmerz zuzufügen, ist mir unerträglich. Ich habe heute Eure Tränen gesehen und sie waren ein Geschenk für mich, denn ich weiß, dass Ihr meinen Tod beweint, aber ich bitte Euch, schwört mir eins: Sollte ich vor Euch sterben, so sollen in dem Moment, da ich von Euch gehe, Eure Augen trocken sein und Eure Stirne glatt.«
Yorsh lächelte. Robi versuchte, sich an die Worte der Phönixhenne zu erinnern, doch alles ging unter im Lächeln
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