Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
ihres lebendigen Daseins. Gute Frau, erinnert Ihr Euch an Euren Mann am lag Eurer Hochzeit? Dann hört auf, seinen von den Orks entstellten Leichnam zu betrachten, und die Entstellung wird verschwinden. Gute Frau, erinnert Ihr Euch an das letzte Mal, als Euer Sohn Euch zulächelte? Denkt daran und vergesst alles andere. Sie würden nicht wollen, dass Ihr ihre sterblichen Überreste anschaut. Wendet Euren Blick ab.«
Eine nach der anderen stiegen die Frauen hinunter. Ihr Weinen verstummte.
Aber die Orks hatten das Mädchen gesehen. Jetzt wussten sie, dass die Königin von Daligar einen schwachen Punkt hatte: ein kleines Mädchen mit blauer Schürze und schwarzen Locken.
Der Hauptmann hoffte inständig, dass man das nie werde bereuen müssen.
Die Königin war außer sich. Sie wandte sich an den Hauptmann und seine Leute.
»Köpft alle Orks, die euch in die Hände fallen«, befahl sie. »Angefangen bei denen, die sich heute hier auf dem Platz haben abschlachten lassen. Bei einem ist die Arbeit ja schon getan, bleiben noch die anderen. Macht mit ihren Köpfen, was sie mit den Köpfen der Unsrigen machen. Sofort.«
»Köpft sie alle«, befahl der Hauptmann, »und steckt die Köpfe auf Pfähle, wie sie es machen, schön hoch oben, damit man sie gut sehen kann.«
Viele von Rankstrails Männern und sämtliche Zwerge begrüßten den Befehl mit wildem Geschrei.
Lisentrail blieb stumm und Trakrail versuchte zu widersprechen. »Hauptmann«, flüsterte er. »Das haben wir noch nie gemacht.«
»Dann machen wir es eben jetzt«, gab der Hauptmann trocken zurück. »Wenn wir diesen Bestien keine andere Angst einjagen können als die, sich im Jenseits lächerlich zu machen, dann jagen wir ihnen eben die ein.«
Kapitel 7
Als Rosalba von den Wehrgängen wieder in den Hof hinunterstieg, war ihr übel.
Auf der Spitze einer Hellebarde steckte der Kopf des Soldaten, der mit ihr hinausgeritten und getötet worden war. Rosalba sah die weit aufgerissenen, leeren Augen und die Sommersprossen, die im Tod eine trostlos gelbliche Farbe angenommen hatten. Um ihn herum steckten auf ähnlichen Piken die Köpfe derjenigen, die bei den Meldefeuern Wache gestanden hatten, mangels Befehlen auf ihrem Posten geblieben waren und so den Tod gefunden hatten. Im Unterschied zur Nacht zuvor waren die Piken mit Girlanden von Essbarem umwunden worden, mit Zwiebeln und Würsten, vielleicht um den Hunger der Belagerten zu verhöhnen, vielleicht um die eigene Todesverachtung zur Schau zu stellen und zu zeigen, dass es für die Orks keinerlei Grauen bedeutete, sich mit Sachen vollzuschlagen, an denen sich auch die Fliegen der Toten gelabt hatten.
Die Orks erwarteten sie und erkannten sie sofort wieder. Rosalba hatte die Krone auf dem Kopf gehabt, sodass sie gut zu erkennen war, und, was schlimmer war, sie hatte Erbrow auf dem Arm getragen. Es war, als hätte sie laut hinausgeschrien, dass da in Daligar jemand war, der das Kommando führte, und dass diese Person eine schrankenlose Liebe für ein kleines Mädchen mit blauer Schürze und dunklen Locken hegte.
An den Gebärden, die sich mehr auf das Mädchen bezogen als auf sie, wurde Rosalba klar, wie klein die Stücke waren, in die sie ihre Tochter reißen würden, und mit wie viel Vergnügen sie das tun würden. Wieder schwindelte ihr bei dem Gedanken, dass das, was für sie das Kostbarste auf Erden war, für die da draußen nur ein möglichst rasch zu vernichtender Mistkäfer war.
Einer von Rankstrails Männern führte ihren Befehl aus. Während sie über den Hof ging, traf Rosalba auf den enthaupteten Körper jenes Angreifers, dem sie in die Augen gesehen hatte, bevor er getötet wurde, und wieder überkam sie Übelkeit. Um sich nicht davon überwältigen zu lassen, versetzte sie dem runden Schild des Orks einen Fußtritt. Der war schwer und drehte sich um. Er war aus Holz mit einer Eisenplatte in der Mitte und ganz mit Schnitzereien bedeckt. Rosalba war verblüfft. Sie bückte sich, um das komplexe Spiel der geometrischen Figuren zu betrachten, die ineinander verschlungen waren und sich immer gleich und immer wieder anders wiederholten. Das Kind in ihr rührte sich.
Rosalba gab dem Kommandanten der Wacheinheiten Befehl, seine Leute unter strengste Aufsicht zu stellen. Die geringste Unaufmerksamkeit konnte die Zerstörung der Stadt bedeuten und musste daher mit unnachsichtiger Strenge bestraft werden. Jeder Feind, der in weniger als zehn Fuß Entfernung vom Fluss gesichtet wurde, musste gemeldet
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