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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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oder ein Möwenküken, das ins Wasser fällt.
    Endlich ließ sich unter den hohen Gewölben der alten Säle ein leises Wimmern vernehmen.
    »Habt Ihr gesehen, Herrin? Wenn ein Neugeborenes nicht schreit, muss man es in heißes und dann in kaltes Wasser tauchen, und manchmal fängt es dann an zu atmen … Habt Ihr gesehen, Herrin! Die Götter waren Euch gnädig. Ihr habt mein Kind gerettet und ich das Eure. Der Hauptmann wird siegen und wir alle werden gerettet …«
    »Mein Kleiner«, sagte die Stimme ihre Mutter, »mein Mäuschen, mein Spatz. Mein kleiner Kater. Ich habe solche Angst gehabt, dass auch du dich im Reich des Todes verlierst. Vielleicht warst du ja schon dort, vielleicht bist du deinem Vater begegnet und er hat dich zurückgeschickt. Du sollst heißen wie er. Du sollst Yorsh heißen, wie dein Vater.«
    »Und der andere, Herrin, der Erstgeborene?«
    »Arduin«, sagte Mama nach einem Augenblick der Überlegung. »Er soll Arduin heißen.«
    Erbrow lachte vergnügt in sich hinein. Sie war froh und zufrieden. Yorsh würde an dem Kreisel seine Freude haben und Arduin an dem Pferdchen. Auch ihre Namen würden den beiden gefallen. Jetzt hatten sie ihre Freude an der Mama, an ihrem Geruch. Sie spürte Yorshs Lust am Atmen, das ihm die Lungen weitete. Sie spürte den Geschmack von Mamas Milch auf der Zunge der Brüderchen, ihre Erinnerung erwachte wieder, denn auch sie hatte davon gekostet.
    Blieb das Problem mit den anderen Spielsachen, mit der Puppe und dem Bötchen. Sie liebte beide sehr, es war, als würden sie auf besonders innige Weise zu ihr gehören. Behielt sie sie aber für sich, so würde dadurch eine Ungerechtigkeit entstehen, sie hätte zwei Spielsachen und ihre Brüderchen jedes nur eines.
    Erbrow trat an die Tür und spähte hinein. Sie sah Mama und die Köpfchen der beiden Brüderchen an ihren Brüsten. Alle drei lagen sie unter der weißen Decke, die sich bauschte wie eine Wolke, und es war nicht gerecht, dass sie nicht auch dabei sein durfte. Dadrunter musste es ganz herrlich weich und kuschelig sein, während die übrige Welt draußen hart und glühend heiß war. Sie empfand ein seltsames Gefühl, das sie noch nie verspürt hatte. Weil sie auch dort hätte sein wollen, es aber in diesem Augenblick schien, als wäre sie weniger wichtig als die Brüderchen. Sie mochte das Gefühl nicht und lief weg.
    Erbrow lief auf die Terrasse hinaus und hockte sich bei der Brüstung mit ihren marmornen Säulen unter den blühenden Glyzinien auf den Boden. Plötzlich kam eine merkwürdige Eiseskälte in die Welt. Das war anders als bei dem Mann des Hasses, dessen Hass klein und stumpf gewesen war; das hier war größer, tiefer. Das Mädchen drückte das Wolfsjunge an sich und blickte auf. Zwischen den efeuumrankten Säulen hindurch sah sie im Garten mit der Schaukel die Orks. Sie waren fast nackt, sie trugen nur Hosen und ihre Kampfmasken, ihre Körper glänzten noch vom Wasser des Flusses. Es waren viele. Zum Glück hatten sie sie noch nicht erspäht. Vielleicht konnte sie noch entkommen. Erbrow stand auf und lief an der Brüstung entlang. Sofort wurde ihr klar, dass das ein Fehler gewesen war, aber jetzt war es zu spät. Sie hätte sich langsam und unauffällig bewegen sollen. Das verhasste, scheußliche Kleid, das sie trug, musste in all dem Grün und Grau auf der Terrasse und im Garten hervorstechen wie ein Goldfisch, den es aus seinem Teich ins Meer verschlagen hat, wo die Fische alle grau sind, eben um im Blau der Fluten nicht aufzufallen. Erbrow stieß mit Parzia zusammen, der Frau, die Mama geholfen hatte, die Brüderchen zur Welt zu bringen, und sie schöpfte wieder Hoffnung. Vielleicht konnte sie sich ja noch retten.
    »Oax!«, schrie Erbrow mit aller ihr noch verbleibenden Kraft. »Oax!«, wiederholte sie und zeigte auf den Garten unterhalb der Terrasse.
    Lang ließ Parzia ihre dunklen Augen über den Garten schweifen, suchte im Schatten der Glyzinien und bei der träge baumelnden Schaukel; kleine Schmetterlinge und Fliegenschwärme glänzten im Sonnenlicht des Hochsommertages.
    »Oax fü’ mi’«, flüsterte das Mädchen noch und zeigte auf sich selbst.
    »Orks, die dich suchen?«, fragte die Frau.
    Erbrow nickte erleichtert. Parzia hatte sie verstanden! Jetzt würde sie etwas unternehmen. Die Frau bückte sich und nahm sie auf den Arm.
    »Das geht allen Kindern so, dass die Eifersucht sie plagt, wenn ein Geschwisterchen geboren wird, und bei Euch sind es gleich zwei! Wir schließen einen Pakt,

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