Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
direkt an die Bevölkerung verteilen.
Rosalba nickte.
»Wir alle machen Fehler«, wiederholte sie noch einmal nachdenklich für sich.
Dann fragte sie, ob jemand wisse, auf welchem Weg die Orks in die Stadt gekommen seien; die Wehrgänge waren schließlich bewacht gewesen, wenn auch nur von einfachen Bürgern, aber immerhin.
Die Frage blieb ohne Antwort.
»Herrin«, sagte der Seneschall, »Ihr habt vor wenigen Stunden zwei Kinder zur Welt gebracht. Solltet Ihr Euch nicht etwas ausruhen?«
Parzia stimmte begeistert zu. Alle nickten.
In der Tat spürte Rosalba, dass sie sich nicht mehr lang auf den Beinen würde halten können. Sie gab Befehl, die getöteten Orks zu köpfen und ihre Köpfe auf Piken gut sichtbar aufzustellen, sodass ihre Auftraggeber wussten, welches Ende die nahmen, die ihre Tochter zu entführen versuchten.
Dann endlich hob sie Erbrow hoch und brachte sie zu ihren Brüderchen. Parzias Hilfe lehnte sie ab. Sie wollte mit ihren Kindern allein sein, vor allem jetzt, da sie solche Angst hatte ausstehen müssen, sie womöglich zu verlieren.
Sie kam an Jastrin vorbei, der noch immer unter seinem Tisch hockte, in Tränen aufgelöst. Der Junge schluchzte aus Angst wie auch vor Scham. Rosalba hatte ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um ihn zu retten, und er hatte nichts zurückgegeben. Rosalba lachte hell auf und dankte dem Himmel, dass wenigstens er aus dem Getümmel heraußen geblieben war, sodass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte, aber das tröstete den Jungen nicht.
Sie betrat ihr großes Gemach, wo das Tageslicht schräg auf die frisch getünchten weißen Wände fiel. Eine Handvoll Fliegen summte immer an demselben Lichtfleck in einem Sonnenstrahl.
Rosalba setzte Erbrow auf das Bett neben ihre Brüderchen.
»Gefallen sie dir?«, fragte sie.
Das Mädchen nickte.
Rosalba legte das schlamm- und blutbesudelte Gewand ab und schlüpfte in ein sauberes, das der Hofmeister des Königlichen Hauses für sie hatte machen lassen, und während sie mit der Hand über das bestickte Leinen strich, dachte sie an ihn. Sie befreite Erbrow von dem ganz unglaublich verdreckten karmesinroten Kleid und zog ihr wieder die geliebte blaue Schürze mit den großen Taschen für ihr Spielzeug an. Dann endlich legte auch sie sich nieder, schloss die Kleine fest in die Arme, herzte und liebkoste sie unentwegt, denn das Entsetzen über die Gefahr, sie womöglich zu verlieren, war genauso groß gewesen wie das vollkommene Glück, dass es nicht so gekommen war.
Als die Hitze nachließ und es Abend wurde, stand Rosalba auf und trat auf die oberste Terrasse des Palasts hinaus, die nicht auf den Garten ging, sondern sich auf die Stadt hin öffnete. Sie setzte sich auf eine große Steinbank.
Die Schornsteine, die tagelang kalt geblieben waren, belebten sich einer nach dem anderen.
Winzige Rauchsäulchen, durchsichtig wie Engelsflügel, stiegen auf zwischen den Dächern und den Wolken am Himmel, vermengten sich und bildeten bald einen feinen Dunst über der Stadt, die die Belagerung durchbrochen hatte und nicht mehr Hunger litt.
Sie würden keinen Hunger mehr leiden. Nie mehr.
Das schwor sich Rosalba. Solange sie einen Funken Leben in sich hatte, würde sie Daligar und seine Einwohner verteidigen. Sie würde ihren Mut verteidigen wie ihre Angst, ihre erbärmliche Gerissenheit wie ihre grobe Dummheit, ihre große Weisheit wie ihren bestechenden Scharfsinn, womit sie ihr eigenes Leben und das ihrer Kinder durch allen Betrug, alle Katastrophen und alles Leid hindurch gerettet hatte.
Rosalba wusste, dass der Hass sie hart, die Angst sie böse gemacht hatte und dass durch die Verzweiflung die Quelle ihrer Sanftmut und ihrer Höflichkeit womöglich für immer versiegt war und, was schlimmer war, sie fehlbar gemacht hatte in ihrem Gerechtigkeitsgefühl, aber sie konnte kämpfen und wusste die Menschen im Krieg zu führen. Sie würde lernen, das auch im Frieden zu tun.
Aus einem Fenster drang der Gesang einer Frau.
Rosalba erkannte ein Wiegenlied wieder, das ihre Mutter ihr einst auch vorgesungen hatte und das sie vergessen hatte. Es erzählte eine komische Geschichte. Es erzählte von einer Hornisse, die versucht, ein Glühwürmchen davon zu überzeugen, ihr als Laterne zu dienen. Sie dachte, dass es Erbrow wahrscheinlich gefallen würde.
Robi versuchte, es ihr mit ihrer wenig wohlklingenden Stimme vorzusingen. Entzückt sah Erbrow sie an und war selig. Vor Freude klatschte sie in die Hände.
Robi hatte ihrer Tochter noch
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