Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
Erstaunen an. Mit seinem halb arroganten, halb mitleidigen Ausdruck, den Rosalba aus tiefster Seele hasste, zog er die Augenbrauen hoch.
»Herrin«, fragte er, »wie konnte Euch die unleugbare Tatsache, dass ich Euch als Herrscher unter aller Würde finde, zu der Annahme verleiten, ich könnte nicht bereit sein, für Euch zu sterben?«
Die Frage war verblüffend. Rosalba versuchte, in dem Gedankengang einen logischen Faden zu entdecken, und stellte fest, dass sich mit viel Mühe tatsächlich eine gewisse Folgerichtigkeit erkennen ließ.
»Herrin«, versetzte der Seneschall und unterstrich seine Worte mit einer leichten Bewegung des Arms, die den goldenen Saum an seinen weiten Ärmeln aus Brokat und Samt aufblitzen ließ, »zu behaupten, Ihr wärt ein König mit schlechten Manieren und Eure Höflichkeit komme der eines Grottenolms gleich, würde heißen, die Dinge zu beschönigen – aber Ihr seid der König. Wer im Kampf gegen die Orks das Kommando übernimmt, ist der König, und für den König kämpft und stirbt man.«
»Warum seid Ihr nicht mit dem übrigen Hofstaat fortgegangen?«, fragte Rosalba.
»Wenn die Orks vor den Toren stehen? Herrin!«, sagte der Seneschall entrüstet. »Irgendjemand musste doch im Palast bleiben, falls sie anrücken sollten! Nicht dass ich geblieben wäre, um meine Stadt zu verteidigen, das hätte ich mir nicht zugetraut. Ich bin nur geblieben, um mit ihr zu sterben. Ich wollte nicht, dass Daligar alleine stirbt. Es ist eine Stadt, die oft und über lange Zeit hinweg ihre Würde verloren hat, aber man lässt eine Stadt nicht allein sterben, ohne dass da im Königspalast jemand ist, der die Schlächter empfängt.«
Rosalba nickte.
»Ich glaube, ich habe Euch unterschätzt«, sagte sie schließlich.
»Heißt das, dass Ihr lernen wollt, mit Messer und Gabel zu essen?«
»Nein, aber vielleicht bringt Ihr es meinen Kindern bei.«
Der alte Herr verneigte sich.
In diesem Augenblick kam der Hauptmann, zu Fuß, völlig außer Atem, schlamm- und blutbesudelt, eine Hand verletzt, in der anderen eine blutige Axt, gefolgt von seinem völlig erschöpften Wolf, der an dem einstigen Teich zu trinken versuchte und im Morast zusammenbrach.
»Den muss man zweimal anschauen, um ihn von den Orks zu unterscheiden, die er bekämpft«, bemerkte Parzia leise.
»Gelegentlich auch dreimal«, bestätigte der Seneschall ebenso leise.
Der Hauptmann lehnte sich an die Wand und schöpfte Atem. Er hörte Rosalba zu, die ihm dankte und sich bei ihm entschuldigte, weil sie …
»Wir alle machen Fehler«, schnaubte er verlegen, ohne sie ausreden zu lassen. Er lächelte nicht.
Er ging auf Aurora zu, um Erbrow ihr Wolfsjunges zu bringen, und zog sich sofort wieder zurück.
Rosalba fragte ihn, wie es käme, dass er an der Hand verletzt war. Der Hauptmann trat in den schattigen Teil der Terrasse zurück, vielleicht um der Hitze zu entgehen; auch sah man im Schatten den Schlamm auf seinem Harnisch weniger, während die Silberstickerei auf Auroras Jacke und das Gold im Brokatgewand des Seneschalls in der Sommersonne leuchteten.
Der Hauptmann lehnte sich an die Wand und erklärte, sein Schwert sei im Kampf zerbrochen, und da es ein Orkschwert war, wo die Klinge bis in den Griff hineinreicht, hatte er sich verletzt, als es zerbrach. Er musste erklären, dass er mit einem Orkschwert kämpfte, das zwar schwer, aber von schlechter Legierung war, weil sein vorheriges Schwert, das zu leicht gewesen war, in der Schlacht von Varil zu Bruch gegangen war, und dass dieses wiederum ein anderes ersetzt hatte, das in den Bergen des Südens zerbrochen war, er erinnerte sich jetzt nicht mehr genau, wo. Der Seneschall erklärte, es sei noch eines der Königsschwerter übrig, das von Karl VI., wenn er sich nicht täuschte. Während der Hauptmann Luft schöpfte, ging er es holen und überreichte es ihm mit großem Zeremoniell. Das Schwert war am Griff dermaßen mit Verzierungen und Edelsteinen überladen, dass man es kaum festhalten konnte, aber wenigstens schien es von guter Legierung.
Als er sich einigermaßen erholt hatte, berichtete der Hauptmann, die Stadt sei nun wieder in Sicherheit, die Brücke und die Wurfmaschinen waren verbrannt. Die Vorräte hatten sie erobert. Wenn die Herrscherin einverstanden war, würde er Befehl geben, die Hälfte davon in den unterirdischen Gewölben des Palastes einzulagern; die andere Hälfte würden der Gefreite Lisentrail und seine Leute mit Erlaubnis der Herrscherin auf dem Hauptplatz
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