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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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Darm nähe ich die inneren Schichten zusammen, mit Leinen die äußeren. Ich lasse sie mit Parfüm tränken, denn wenn die Fäden sauber sind, entzündet sich die Wunde nicht so leicht, und es ist weniger wahrscheinlich, dass Wundfieber auftritt.«
    »Verzeiht, Herrin, aber das ist Zeitverschwendung«, wandte Trakrail kritisch ein. »Und auch die Schichten einzeln zu vernähen, ist Zeitverschwendung. Mit einer größeren Nadel macht man alles auf einmal. Wenn Ihr wollt, erledige ich das«, schlug er vor.
    »Es ist keine Zeitverschwendung, Muskel mit Muskel zu vernähen und Hautschicht mit Hautschicht und das mit einem sauberen Faden zu tun, denn die Heilung schreitet dann besser voran«, beharrte Aurora auf ihrem Standpunkt. »Und ich möchte nicht, dass Ihr das macht. Haltet nur den Faden straff. Danke.«
    »Herrin, macht schnell, oder wir verlieren ihn. Er atmet schon fast nicht mehr.«

Kapitel 23
    Erbrow hielt eine Hand des Gefreiten in ihren. Es war fürchterlich. All diese Narben! All diese Erinnerungen, die wie ein Schwarm Hornissen in der Seele des Gefreiten herumschwirrten! Wie die Orks seinen Bruder ermordeten. Wie seine Mutter von allen ausgelacht wurde, weil sie nie einen Mann gehabt hatte. Wie er Söldner geworden war. All die Male, die er Hunger gehabt und gestohlen hatte, um ihn zu stillen oder damit seine Kameraden keinen mehr haben mussten. Und dann in Abständen, regelmäßig wie die Schläge der Totenglocke, die Erinnerung an die Male, die man ihn dem Henker in die Hand gegeben hatte. Und über allem lag dieser ganz besondere, furchtbare Schmerz, wenn man keine Luft bekommt, wie wenn ein Möwenküken ins Wasser fällt oder ein Seestern an den Strand gespült wird. Das war so schlimm, dass dagegen der Schmerz in den Beinen, die von den Orks mit Äxten zertrümmert worden waren, verblasste.
    Erbrow schloss die Augen, um das Blut nicht zu sehen.
    Die Welt wurde grün, darin abwechselnd und ineinander verschlungen die Arabesken von Pelz und goldene Schuppen.
    Erbrow sah ihren lächelnden Vater wieder vor sich.
    Sie mussten den Gefreiten gehen lassen, dann fänden seine Erinnerungen endlich Trost und Ruhe. Ihr Vater und der Drache würden das übernehmen. Sie wusste nicht, wie sie es Aurora und Trakrail sagen sollte. Sie würden es von allein verstehen. Vielleicht wussten sie es ja bereits. Die Atemzüge des Gefreiten wurden immer schwächer.
    Die kleine Frau mit dem roten Zopf und dem dunkelgrünen Rock, die zwischen Erbrow und Trakrail kniete, begann zu schluchzen. Sie wollte ihn nicht gehen lassen, aber er atmete schon kaum mehr, die Luft entwich ganz durch die Wunde und dieser Schmerz, ähnlich dem eines Seesterns am Strand, wurde mit jedem Augenblick unerträglicher. Auch die Tränen der Frau mit dem roten Haar waren unerträglich.
    Es gab schon so viele andere Tränen hier.
    Ihr Vater lächelte. Der Drache erhob sich zum Flug.
    Erbrow löste ihre eine Hand von der des Gefreiten und schob sie in die Schürzentasche, wo noch der kleine Ball aus verknoteten Stofffetzen war, den ihr Chicco geschenkt hatte, als die Erinnyen über die Welt gekommen waren und ihr das Licht geraubt hatten.
    Erbrow spürte den groben, ungeschickt zusammengeknoteten Stoff und schöpfte neuen Mut.
    Ihre Kraft nahm zu und wurde stärker als der Schmerz des Gefreiten.
    Da hatte sie plötzlich eine Vision. Kinder tollten zwischen Hühnern und Gänsen herum, an einem merkwürdigen Ort voller Pfützen und mit einem verkohlten Kirschbaum in der Mitte, der ganz von weißen Blüten übersät war.
    Erbrow drückte den Stoffball fest in ihrer Hand, und es war, als strömte das ganze Licht des Strands und des Dorfs, die ihren Namen trugen, in sie ein und käme ihr zu Hilfe.
    Sie musste rasch die Wunde schließen, durch die die Atemluft entwich. Aurora vernähte sie gerade und sie klaffte nicht mehr, sondern da war nur noch eine Reihe von kleinen Zwischenräumen. Sie hatte Aurora und Trakrail an ihrer Seite, und auch sie versuchten, diese kleinen Zwischenräume zu schließen. Vielleicht schafften sie es ja.

Kapitel 24
    Lisentrail hustete und spuckte einen blutigen Schleimklumpen aus.
    Die Frau im grünen Rock hörte auf zu weinen.
    »Lebt er?«, fragte sie vorsichtig. »Wird er am Leben bleiben? He, Frau, lebt er?«
    Aurora, furchtbar blass und mit Schweißperlen auf der Stirn, antwortete nicht, sie war zu sehr mit Nähen beschäftigt.
    »He, Söldner, ist er tot oder lebendig?«, fragte die Frau noch einmal.
    »Besonders lebendig ist

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