Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
unerträglich.
Eine kleine Menge hatte sich um die Toten zusammengefunden. Die Familien der Stadt nahmen sich dieser armen Leichname an, um sie auf den Friedhof zu bringen. Der Hauptmann wusste, dass jede Familie dort ein winziges, quadratisches Feld besaß, wo unter kleinen blühenden Sträuchern ihre Toten bestattet lagen. Die Söldner würden in den Boden gebettet werden, der für die Frauen bestimmt war, die es nicht mehr geschafft hatten, die Ihren zu werden, aufgenommen und begraben von den Familien, denen anzugehören sie nicht mehr erlebt hatten.
Erstmals seit dem Tod seiner Mutter war Rankstrail zum Weinen zumute. Oder vielleicht zum Erbrechen, er konnte das nicht recht unterscheiden. Die ins Leere stierenden Augen seiner Männer verschleierten sich. Rankstrail dachte an all die Dinge, die er ihnen hätte sagen wollen und nie gesagt hatte, weil er es immer auf morgen verschoben hatte, wie selbstverständlich davon ausgehend, dass es ein Morgen geben würde. Einer nach dem anderen wurden Rossolo, Zeelail, Rouil und Roxtoil unter Seufzern und Tränen fortgetragen.
Jetzt lagen nur noch Arkry, Herr der Zwerge, Daverkail und Workail am Boden, in Lachen ihres Bluts.
»Die will keiner, Hauptmann«, hauchte Morgentau. »Die will wirklich keiner. Für solche, die keine Familie haben, gibt es in Daligar das Massengrab. Wenn du mir ein paar Männer schickst, die mir helfen, bringe ich sie hin.«
Der Hauptmann zögerte, dann sagte er: »Wir werden ihnen ein Begräbnis geben, das ihrer würdig ist. Ich habe ihnen noch nicht einmal gedankt.«
»Nie meh aua, Papa D’ache«, hauchte Erbrow, aber ohne Trakrails Übersetzung verstand der Hauptmann gar nichts.
Rankstrail wurde es zu viel. Er musste gehen. Wenn es die Götter gab, so wünschte er sich zu deren Wohl, dass er ihnen niemals begegnen müsse, denn auch wenn ihm das die ewige Verdammnis in der Unterwelt einbringen sollte, er würde ihnen klipp und klar sagen, was er über sie dachte. Dann fiel ihm ein, dass Lisentrail nicht zu atmen aufgehört hatte, und er wagte nichts mehr zu denken.
Die Kleine in seinen Armen zitterte.
»Das bist du gewesen, nicht wahr?«, fragte der Hauptmann sie leise, während er unter den Danksagungen der Umstehenden davonging; man wich zurück, um ihm Platz zu machen. »Du und die anderen, stimmt’s? Ihr zwei Hexen und der Sohn einer Hexe, deshalb ist Lisentrail am Leben? Deshalb seid ihr so müde? Auch die anderen beiden sind müde. Lisentrail war mehr tot als lebendig, es ist nicht nur, weil sie ihn zusammengenäht und nicht in die Wunde gespuckt haben, nicht wahr? Da ist eine Art Zauber dabei, ihr heilt die Menschen durch Berührung und dann seid ihr müde. Deshalb sind Trakrail und Aurora so gut. Sie wissen nicht nur wie jeder beliebige Arzt, was man machen muss, sondern haben obendrein auch magische Kräfte. Du musstest ihn berühren, stimmt’s? Aurora wollte nicht, dass ich dich wegbringe, auch wenn dich das so … so müde macht. Danke, Kleine. Lisentrail ist ein guter Kerl. Er war es, der dich den Orks weggenommen hat. Ein guter Kerl, ein anständiger Kerl. Trakrail kann sich kaum auf den Beinen halten, wenn er eine Wunde versorgt hat, und er ist erwachsen, um wie viel schlimmer muss das für dich sein. Du bist klein. Klein, tapfer und großartig. Die beiden da, Aurora und Irakrail, haben ein großes Palaver veranstaltet von wegen Schichten zusammennähen und so und da waren alle abgelenkt. Vielleicht haben sie auch im Ernst diskutiert, aber das Wesentliche war doch, dass dich keiner beachtete. Niemand hat bemerkt, dass du … nun, dass du kannst, was du kannst. Verrat es niemandem. Behalt es für dich, sonst sagen sie, wenn du jemanden nicht retten kannst, das sei deine Schuld, und hassen dich deswegen.«
Still zusammengekauert schmiegte Erbrow sich an den Hauptmann, der sie umfasste, als ob er sie wärmen müsste, dann beugte er sich über sie und küsste ihr Haar.
Erbrow hörte auf zu zittern.
»Mama!«, sagte sie leise, aber deutlich.
»Gewiss«, versicherte ihr der Hauptmann. »Jetzt bringe ich dich zu deiner Mama.«
Die Herrscherin war im Äußeren Hof, sie hockte auf der untersten Treppenstufe, den Kopf in den Händen vergraben. Der Junge, der langsam lief und viel redete, Jastrin, lag neben ihr am Boden, mitten auf dem großen, mit Goldfäden gesteppten Tuch, das den Saal des Kleinen Throns auskleidete.
Sie wirkte auf den Hauptmann wie ein zerdrückter Schmetterling.
Die Königin hob den Kopf und sah
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