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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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von ein paar zerzausten, vom heißen Wind gebeugten Bäumen bestanden.
    Nach einem zermürbenden Tagesmarsch gelangten sie endlich an einen Teich, der noch nicht ausgetrocknet war und an dessen ausgefransten Ufern ein paar Gärten und eine Ansiedlung kleiner Häuser leuchteten.
    Geplagt vom Durst, der durch das ständige Fieber quälend wurde, stürzte Rankstrail als Erster hin. Er ließ die anderen zurück und rannte zum Wasser. Er warf sich der Länge nach in den Schlamm und begann, gierig zu saufen wie ein Tier. Das Wasser war schlecht und schmeckte faulig, er trank aber trotzdem. Als er aufschaute, bemerkte er, dass er sich in einem Obstgarten befand, Pfirsichbäume bogen sich unter der Last ihrer Fürchte. Rankstrail kannte ihren Namen, weil er auf dem Markt im Äußeren Bezirk welche gesehen hatte, nur wenige, und sie waren sehr teuer gewesen.
    Eine Stimme in ihm schimpfte, er solle das lassen, das sei Diebstahl, das sei eine Dummheit, er pflückte aber doch eine Frucht vom Baum und schlug die Zähne hinein. Die Schale war seltsam rau, innen aber war die Frucht weich und zugleich fest. Ihre Süße war vollkommen und obendrein löschte sie den Durst. Wenn es das Land gab, wo Milch und Honig fließen, so musste es diesen Geschmack haben. Es war die Speise der Götter, wenn die Götter denn etwas aßen.
    Als das gelbe Fleisch zu Ende war, blieb ein roter Kern übrig, den Rankstrail in seinen Quersack steckte, einerseits um keine Spur des Diebstahls zu hinterlassen, andererseits um ihn seinem Vater zu geben, wenn er nach Hause kam, damit er ihn einpflanzen konnte.
    Er pflückte noch einen Pfirsich und biss hinein. Die Stimme in ihm sagte noch einmal, er solle aufhören damit, aber der rasende Fieberdurst schien sich nur durch den Geschmack des Pfirsichs besänftigen zu lassen. Auch wenn er es mit verstümmelten Fingern und ausgerissenen Zähnen würde büßen müssen, er war einfach nicht imstande aufzuhören. Erst beim dritten Pfirsich konnte er endlich den Kopf heben und sich umsehen. An den Türen ihrer Häuser, wovon einige seltsamerweise auf Karrenräder montiert waren, hingen die Leichen der Bewohner der kleinen Ortschaft und starrten ihn aus leeren Augenhöhlen an, umschwirrt von Mücken- und Bremsenschwärmen.
    Blind vor Durst war Rankstrail, der Jäger, der in einem Getreidefeld eine Maus hören konnte und den Flug der Reiher erahnen, an den Teich gestürzt und in einen Obstgarten eingedrungen, ohne die unverkennbaren Anzeichen eines Massakers zu bemerken: den Verwesungsgeruch und das laute Summen der Fliegen auf dem gestockten Blut.
    Er blieb stehen und starrte dieses grausige Schauspiel an, den angebissenen Pfirsich in der Hand.
    Er hatte noch nie einen toten Menschen gesehen, außer seiner Mutter, aber das war ein schicklicher Tod gewesen. Er war von niemandem verursacht, niemand hatte sie verhöhnt. Alle weinten und dann hatte man sie auf den Friedhof getragen.
    Hier nicht. Acht Erwachsene und elf Kinder. Neunzehn, wie die Zehen und Finger eines Menschen, wenn ihm ein Finger fehlt.
    Dass man sie mit dem Kopf nach unten aufgehängt hatte, machte ihm klar, dass man mit diesen Toten seinen Spott hatte treiben wollen, als ob es ein Spiel wäre.
    Er krümmte sich und musste sich erbrechen: das faulige Wasser und die Pfirsiche. Er fiel auf die Knie und erbrach noch mehr.
    Die Sonne stand im Zenit und im Gras zirpten die Grillen.
    Er spürte Lisentrails Hand auf seinem Arm.
    »Komm, komm, Junge, wir kümmern uns darum, wir begraben sie«, flüsterte er ihm zu, während er ihm den halben Pfirsich aus der Hand nahm und im Quersack verschwinden ließ, bevor der Truppführer ihn sah. Eine der eindeutig festgelegten Aufgaben der Leichten Infanterie war es, Zivilisten, die unbeerdigt geblieben waren, zu begraben, wenn niemand anderer das übernehmen konnte.
    »Er ist auch Ssssoldat«, sagte der mit dem lang gezogenen s, als er näher kam.
    »Er hat Fieber«, wandte Lisentrail ein.
    »Es geht mir gut«, entgegnete Rankstrail und schüttelte seine Hand ab.
    Um nichts in der Welt hätte er darauf verzichtet, diese Toten zu begraben.
    Er zitterte, aber er nahm die Leichen ab und hob Gruben aus wie alle anderen auch, mit den Schaufeln, die die Bewohner zu ihren Lebzeiten verwendet hatten, um den Obstgarten umzugraben und die Kanäle zwischen den Gärten auszuheben. Einer der älteren Soldaten fing an, über diejenigen herzuziehen, die er Weiber nannte, für Rankstrail aber Mütter waren. Der wilde und verstörte Blick

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