Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
untersetzter Mann, das Gesicht bedeckt von der Maske, die ihn daran hindern würde, den Bären herankommen zu sehen, wenn der ihn von der Seite angriff.
Aber der Bär griff nicht von der Seite an. Er griff von vorne an.
Er wollte ihm ins Gesicht sehen.
Er wusste: Der war es.
Er hatte den Befehl gegeben, zunächst zu dem Massaker, dann zu der Inszenierung; zuerst hatte er das Leben mit Füßen getreten, dann den Tod verhöhnt.
Der Bär griff von vorne an: Der andere sollten ahnen, dass auch sein Tod verhöhnt werden würde.
Das klare Licht der Morgenröte vermischte sich mit dem unsteten Flackern der Brände. Einen Moment lang sahen sich die beiden Feinde in die Augen, dann hob der Bandit seine riesige Axt und ließ sie mit voller Wucht auf den Jungen herabsausen. Rankstrail parierte mit seinem Schwert, das unter dem Axthieb mit einem hellen Klang zerbrach. Der Mann lachte laut auf. Entsetzt starrte Rankstrail den Stumpf an, den er noch in der Hand hielt. Die Vorstellung, den Gegenwert von mindestens zwei Monaten Essen für seinen Vater für wertloses Zeug ausgegeben zu haben, war so niederschmetternd, dass ihn einen Augenblick Entsetzen überkam, aber er erholte sich sofort wieder. Er wich zur Seite aus, warf sich zu Boden und schnitt dem anderen mit dem Stumpf seines Schwertes die Achillessehne durch. Der Mann fiel um. Er begann seinen Fall als Lebender und beendete ihn als Toter; den Schwertstumpf in beiden Händen, um die Wucht des Hiebes zu erhöhen, hatte der Junge ihm den Kopf abgeschlagen, noch ehe die Schultern am Boden auftrafen. Rankstrail war erleichtert: Seine Anschaffung war doch nicht völlig unnütz gewesen. Er beugte sich über den Toten, nahm ihm die riesige Axt aus der Hand und eilte dem Rest der Mannschaft zu Hilfe.
Als alles vorbei war, ließ Rankstrail abzählen. Sie hatten eine Einheit besiegt, die zweieinhalb mal so stark war wie sie selbst, und auf ihrer Seite gab es nur einen Gefallenen, den Truppführer. Einige waren verletzt, aber nichts Schwerwiegendes, nichts, was Trakrail, der Heiler ihres Trupps, nicht richten konnte. Das Feuer hatte die Dächer zum Einsturz gebracht und ein herabfallender Balken hatte das Maultier getroffen und erschlagen. Bevor sie ein riesiges Gulasch daraus machten, betrauerten sie es mit echtem Gefühl, während sich bei dem Truppführer die Teilnahme eher in Grenzen hielt, war er doch ein vollendeter Trottel gewesen – für einen Soldaten die schlimmste Gefahr und das schlimmste Verhängnis.
Rankstrail betrachtete die Körper der Feinde. Ihre Glieder und Harnische waren ganz mit Schlamm eingerieben und so schwarz, dass sie in der Nacht kaum zu erkennen waren. Viele trugen noch, als obszöne Trophäen am Unterarm und am Gürtel befestigt, die Kleider der Frauen und Kinder, die sie ermordet hatten.
»Jetzt begraben wir sie«, sagte Lisentrail. »Sie zu verbrennen, ginge schneller, aber es ist zu wenig Holz da, und wir können schließlich nicht die Obstbäume verheizen.«
»Wir hauen sie in Stücke und werfen sie den Hunden zum Fraß vor«, sagte Rankstrail, »das ist die gerechte Strafe.«
Einige Soldaten brummten zustimmend.
»Wir tun ihnen an, was sie selbst tun«, sagte jemand.
Der Vorschlag machte die Runde und die Männer erwärmten sich dafür, aber Lisentrail versetzte ihnen eine kalte Dusche.
»Männer«, sagt er, »für Gerechtigkeit ist der Posten des Henkers da, da bekommt man mehr bezahlt und es gibt jeden Tag zu essen, manchmal sogar Polenta ohne Würmer. Wir aber sind Soldaten, Leichte Infanterie. Wir sind keine Henker. Wir haben sie aufgehalten. Jetzt begraben wir sie, und damit basta.«
Er trat zu Rankstrail. »He, Bär«, sagte er leise zu ihm, »hast du eine Mutter oder hast du dich aus Schmiedeabfällen selbst gemacht?«
Rankstrail war sich nicht sicher, ob er die Bemerkung wirklich gut fand.
»Meine Mutter ist tot«, brummte er.
»Das tut mir leid«, sagte Lisentrail, »ehrlich. Jetzt ist deine Mutter im Reich der Toten, aber irgendwie weiß sie, was du tust. Handle immer so, dass sie stolz auf dich wäre.«
Rankstrail dachte darüber nach, das war eine gute Regel. Seine Mutter wäre stolz gewesen zu wissen, dass er die da für immer aufgehalten hatte. Seine Mutter wäre zufrieden gewesen, dass dank ihm keiner seiner Leute ums Leben gekommen war und dass kein Bauernhof mehr überfallen und in ein Häuflein blutiges Elend verwandelt würde, aber sie wäre nicht einverstanden gewesen, wenn er genauso wurde wie diese da.
Bevor
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