Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
Er.
Ganz Daligar war bedroht. Das Leben des Verwaltungsrichters selbst war in Gefahr.
Der Hauptmann wurde auf der Stelle zurückbeordert. Die Leichte Kavallerie war von den Orks vernichtet worden. Da war niemand mehr.
Niemand mehr außer ihm und seinen Männern.
Kapitel 16
Von allen Absurditäten, die Rankstrail in seinem Leben je gehört hatte, war das zweifellos die kolossalste.
In Daligar standen, vollzählig und bis an die Zähne bewaffnet, die eigentliche Infanterie und die eigentliche Kavallerie, ausgerüstet mit ordentlichen paarweisen Beinschienen, Harnischen aus Stahl, nach allen Regeln der Kunst geschmiedeten Schwertern, die nicht zerbrachen, und es schien ihm völlig klar, dass für die weder ein Elf noch ein Drache eine Herausforderung bedeuten könnten; aber mit der Ansicht stand er wohl allein da.
Die Nachricht war nicht nur absurd, sondern auch eine Katastrophe.
Plötzlich abzuziehen und die Bevölkerung in den Grenzlanden ohne Schutz zurückzulassen, war aberwitzig und unverantwortlich, aber er hatte keine Wahl, er musste es tun. Er hatte gerade noch Zeit, die Dorfvorsteher zusammenzurufen. Vor allem mussten sie das Warnsystem durch Feuerzeichen aufrechterhalten. Sie konnten die Zahl ihrer bewaffneten Grenzposten erhöhen, wenn sie die Frauen mit Hippen und Sensen ausrüsteten, denn auch Frauen konnten kämpfen. Und außerdem, in einer von Orks bedrohten Gegend durften die Frauen ohnehin niemals, unter gar keinen Umständen unbewaffnet gehen.
Während dieser Erörterungen sah Rankstrail den Schrecken, der sich in den Augen seiner Gesprächspartner abmalte, und er hasste den Verwaltungsrichter aus tiefster Seele, und auch diesen anderen da, den Verfluchten, den Elfen, durch dessen Schuld die Gegend von Malevent jetzt sich selbst überlassen wurde, ohne Söldner, am Rande eines Gebietes, das jeden Augenblick Horden von Orks ausspucken konnte.
Als die Igelstadt in Sicht kam, waren sie am Ende ihrer Kräfte. Sie waren zwanzig Stunden am Tag marschiert, hatten sämtlichen Blutegeln im Fluss und zusätzlich noch denen im See Nahrung gegeben und trugen nur noch die letzten Fetzen Haut am Leib, die sie vor Mücken und Dornen hatten retten können. Vor Müdigkeit konnten sie sich kaum noch auf den Beinen halten. Es war fast Nacht. An den Toren der Stadt gab es endlose Verhandlungen mit den Wachposten des Großen Tors, die keinerlei Anweisungen bekommen hatten und nicht beabsichtigten, einen ihrer Vorgesetzten zu stören, um solche zu erfragen. Die Tatsache, dass ihre Anwesenheit unbedingt notwendig, von absoluter Dringlichkeit, unverzichtbar und unumgänglich war, auch wenn dafür eine Region schutzlos zurückgelassen und deren Bevölkerung womöglich dem Massaker anheimgegeben wurde, hatte nicht zur Folge gehabt, dass sich irgendjemand überlegte, wo man sie unterbringen konnte. Die Einzigen, die in irgendeiner Weise tätig wurden, waren die Bogenschützen. Als sie den Wolf des Hauptmanns erblickten, legten sie auf ihn an, aber Rankstrail brachte sie davon ab, indem er ihnen in wenigen, tief empfundenen Worten seine Meinung darlegte über sie, ihre Bögen und den Gebrauch, den sie am besten davon machen sollten.
Mitten in der Nacht entschlossen sich die Soldaten endlich, einen Offizier zu rufen. Der kam und erklärte ihnen hochmütig und eisig die jüngsten Ereignisse in Daligar, die ungeheure Tragödie, die durch die Tapferkeit seiner Leute eben noch hatte abgewendet werden können. Der Elf, der Verfluchte, war gekommen. Um ein Haar wäre es ihm geglückt, Prinzessin Aurora zu entführen, und an dieser Stelle war der Hauptmann zum ersten Mal froh, dass man ihn zurückbeordert hatte, und ebenfalls zum ersten Mal gab es jemanden, den er mehr hasste als die Orks und den Verwaltungsrichter. Als ob das noch nicht genügte, fuhr der Offizier fort, war der Unheilsbringer noch am selben Tag wiedergekehrt und dann abgezogen, nicht ohne die schlimmsten Verbrecher der Grafschaft aus den Gefängnisverliesen befreit zu haben. Das kam dem Hauptmann merkwürdig vor. Er fragte sich, welche Missetäter diese Verliese wohl beherbergen mochten, in einem Land, wo keine Gefangenen gemacht wurden.
Am nächsten Morgen ließ der Hauptmann vor den Toren der Stadt ein Lager aufschlagen, das von den Ufern des Dogon bis zu den Schilfwäldern reichte, und setzte durch – treffender wäre freilich zu sagen »erzwang« –, dass sie für je sechs Mann einen Laib Brot bekamen und freies Recht zum Fischen und Jagen für
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