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Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition)

Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition)

Titel: Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk M. Broder
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Bundestag.
    Allerdings tagte der Oberste Sowjet der UdSSR nur zweimal im Jahr. Das eigentliche legislative Organ der UdSSR war das Präsidium des Obersten Sowjets, dem 24 Mitglieder des Obersten Sowjets und die Vorsitzenden der Obersten Sowjets der 15 Unionsrepubliken angehörten. Das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR wählte beziehungsweise nominierte seinerseits den Ministerrat, die Regierung der Sowjetunion. Im Laufe der Jahrzehnte wurde das System mehrfach modifiziert; der Oberste Sowjet mit 1500 Delegierten expandierte zum Kongress der Volksdeputierten mit 2250 Mitgliedern. Der Ministerrat wurde in »Ministerkabinett« umbenannt und dem Staatspräsidenten direkt unterstellt. Nur Zweierlei blieb immer gleich:
    Erstens hatte die Partei stets das Sagen, und zweitens mussten sich die gewählten Deputierten mit einer dekorativen Funktion zufriedengeben. Auch die so genannte Regierung agierte am Gängelband der Partei. Dabei wurde das System immer größer und unüberschaubarer – am Anfang gab es acht »Volkskommissare« für die ganze UdSSR , am Ende ein Kabinett mit mehr als 80 Ministern –, bis es schließlich unter dem eigenen Gewicht implodierte.
    All das im Sinn wollen wir uns mal ansehen, wie die EU aufgestellt ist und womit sich die Abgeordneten des EU -Parlaments beschäftigen. Unser selbst gebastelter Zufallsgenerator hat dafür die Plenarsitzung vom 11. bis zum 14. März 2013 ausgewählt, also eine ganz normale Arbeitswoche vor dem Ausbruch der Zypernkrise.
    Schon der erste der aufgelisteten »Schwerpunkte« klingt bedeutend: »Parlament legt Position für Haushaltsverhandlungen fest.« Es geht um den bereits mehrfach angesprochenen Haushalt für das Jahr 2014 und den »mehrjährigen Finanzrahmen« 2014 bis 2020. In der dazugehörigen Pressemitteilung wird das Ergebnis der Beratung bereits vorweggenommen. Es wird nicht nur verraten, worüber, sondern auch wie die Abgeordneten abstimmen werden. Wer nach einer Lösung für das Rätsel sucht, der findet sie im Kleingedruckten. Es handelt sich um eine »nichtlegislative Entschließung«, also eine Art Absichtserklärung, Proklamation oder Resolution des EU -Parlaments, die so unverbindlich ist wie das Horoskop in der Apotheken-Umschau.
    Danach wird das Parlament »über die Schlüsselthemen des nächsten EU -Gipfels debattieren und seine eigenen Prioritäten für das Treffen der Staats- und Regierungschefs vorlegen«, die von den Staats- und Regierungschefs souverän übersehen werden, weil sie längst eine eigene Agenda für den EU -Gipfel haben. Aber gut, dass wir darüber gesprochen haben.
    Sobald dieser Punkt erledigt ist, wird das Parlament über »eine neue Agrarpolitik für Lebensmittelsicherheit und besseren Umweltschutz« beraten. »Die Abgeordneten wollen«, heißt es in der Pressemitteilung, »dass Direktzahlungen nur aktiven Landwirten zugutekommen und nicht Landeigentümern wie Flughäfen oder Sportvereinen, wenn diese keine Landwirtschaft betreiben.«
    Hmmm? Haben wir uns verlesen? Steht da wirklich, Direktzahlungen sollen nur aktiven Landwirten zugutekommen und nicht Landeigentümern wie Flughäfen oder Sportvereinen, wenn diese keine Landwirtschaft betreiben? Bedeutet das nicht implizit, bis jetzt würden auch nicht-aktive Landwirte Agrarsubventionen beziehen, zum Beispiel Landeigentümer wie Flughäfen und Sportvereine? Doch, es steht da. Und zwar nicht nur implizit, sondern explizit. Landeigentümer wie Flughäfen und Sportvereine, die keine Landwirtschaft betreiben, weil sie mit der Organisation von Sportveranstaltungen beziehungsweise des Luftverkehrs voll ausgelastet sind, bekommen Agrarbeihilfen!
    Das ist so, als würden Autoren, die keine Bücher schreiben, weil sie den ganzen Tag Papierflieger bauen, Stipendien dafür bekommen, dass sie keine Bücher schreiben. Ich kenne in der Tat einige Literaten und Verlage, die für eine solche Regelung sehr dankbar wären. Oder ist das schon die Tarnung für eine Einführung des »bedingungslosen Grundeinkommens« in ganz Europa? Jeder, der die Natur schont oder das Klima rettet, indem er etwas nicht tut, zu dem er in der Lage wäre, wird entsprechend dafür belohnt. Der Tischler, wenn er keinen Tisch baut und damit Bäumen das Leben rettet, der Metzger, der kein Fleisch verkauft, und der Lokführer, der zu Hause bleibt.
    Immerhin, bei diesem Vorgang der Direktzahlungen handelt es sich um ein »Mitentscheidungsverfahren«, bei dem »das Parlament und der Rat der EU zum ersten Mal

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