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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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unterhielt sich mit der Blondine, während er auf seine Drinks wartete. Der Mann mit den ingwerfarbenen Haaren starrte finster die Sammlung umgekehrter Flaschen hinter dem Tresen an und legte den Kopf schräg, als wolle er ihre Etiketten lesen.
    Coletti holte zwei Gläser Lagerbier, schenkte der Blondine noch ein letztes charmantes Lächeln und schob sich durch die Menge zu Chan zurück. Die Blondine sah ihm nach. Der Mann mit den ingwerfarbenen Haaren versuchte, das Gespräch wiederaufzunehmen, doch sie wandte sich von ihm ab.
    »Eine Träumerin«, sagte Coletti, als er die Gläser auf die Resopalplatte stellte. »Sehr, sehr klug, zu einer anderen Zeit wäre sie vielleicht Professorin geworden. Als Kind wollte sie alles über die Sterne erfahren. Ich hab’ gedacht, sie wird mal Wissenschaftlerin. Und sie war Smack-süchtig. Was ergibt das alles zusammen?« Er zuckte mit den Achseln. »Eine hochintelligente Smacksüchtige, die fast nichts über die Welt außerhalb der Bronx wußte. Können Sie sich vorstellen, wie verzerrt das Mädel die Realität gesehen hat? Sie hat ein Jahr dazu gebraucht, aber schließlich ist es ihr gelungen, Gambucci ihre Idee zu verkaufen, und der hat sie dann dem Don verkauft.«
    »China?«
    »Genau, China. Warum auch nicht? Das hat durchaus Sinn ergeben. Unsere sizilianischen Verwandten waren uns bei den Russen zuvorgekommen, aber zu dem Zeitpunkt dachte noch niemand an China. Die meisten New Yorker haben nur eine sehr unklare Vorstellung davon, wo es liegt. Warum baute man nicht frühzeitig Kontakte zu einem weiteren vom Verfall bedrohten kommunistischen Reich auf, so daß die amerikanischen Mafiosi alle Geldgeschäfte abbekamen, die Panzer an Saddam Hussein verkaufen konnten, die AK 47 an die Palästinenser, die Raketenbasen an die IRA und die Splitterhandgranaten an die Kolumbianer? Warum nicht auch das ganze Morphium aus dem Goldenen Dreieck? Vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion hätte das hirnlos geklungen, aber danach drängte sich der Gedanke auf.«
    »Aber niemand konnte Mandarin?«
    Wieder lachte Coletti. »Genau. Niemand konnte Mandarin. Und Kontakte mit Chinesen zu knüpfen ist nicht das gleiche, wie Verbindungen mit den Russen aufzubauen. Das ist etwas völlig Neues. Wie überwindet man die Chinesische Mauer? Clare wußte eine Antwort auf diese Frage. Die Kontakte zwischen der Mafia und den New Yorker Triaden waren seit Jahrzehnten ziemlich gut. Sie haben Respekt voreinander. Man könnte fast schon sagen, sie bewundern sich gegenseitig. Ihre omertà ist viel intakter als unsere. Haben Sie schon mal was von einem Angehörigen der Triaden gehört, der vor einem Großen Geschworenengericht aussagt?«
    »Also hat man Yu und Mao angeworben?«
    »Ja. Man hat sie angeworben. Man hat sich geeinigt. Die 14K haben das für eine sehr gute Idee gehalten. Sie haben die neuen Möglichkeiten erkannt und waren realistisch genug zu sehen, daß sie unsere Kontakte brauchen würden, wenn die Verkäufe über die Bühne gehen sollten. Auch die Terroristen aus dem Nahen Osten können kein Mandarin. Genausowenig wie die Kolumbianer. Gleichzeitig sah die 14K eine Möglichkeit, Sun Yee On und den Bambusverbund zu überholen – mit anderen Worten: Es ging auch gegen die Konkurrenz.«
    Chans Gedanken überschlugen sich. Das hatte nicht so viel mit der Geschichte zu tun, die Coletti gerade erzählte, sondern mehr mit dem Ausmaß dieses Unternehmens. Ein weiblicher Marco Polo des zwanzigsten Jahrhunderts, der eine neue Seidenstraße vom Osten in den Westen eröffnete. Nur daß sie mit Seide nichts zu tun hatte.
    Die Band spielte gerade »Born in the USA«. Coletti hatte recht, die Jungs waren wirklich gut; es hätte Springsteen selbst sein können, der da auftrat. Und auf dem Tanzboden vor ihnen hatten Ost und West bereits seit über einer Stunde Kontakt geknüpft. Für die Nacht war gesorgt. Der Mann mit den ingwerfarbenen Haaren unterhielt sich wieder mit der Blondine. Und sie hörte ihm zu. Allmählich näherte sich der Zeitpunkt, an dem die Leute Angst bekamen, allein nach Hause gehen zu müssen.
    »Eins verstehe ich nicht«, sagte Chan. »Eine Organisation wie die amerikanische Mafia schickt eine junge Frau und zwei Angehörige der Triaden, damit die drei in ihrem Namen verhandeln? Würde die Mafia so etwas tatsächlich tun?«
    Coletti schüttelte, noch einen Schluck Bier im Mund, den Kopf.
    »Betrachten Sie das Problem doch mal von einer anderen Warte. Wenn sie Clare schickten, konnten sie nichts

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