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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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kaufen konnte, und eine khakifarbene Hose an. Seine abgetragenen Freizeitschuhe ruhten auf einem Fußschemel mit braunem Wildlederbezug.
    Er stand nicht auf, um sie zu begrüßen, und bot ihr auch keine der Zigaretten an, die er aus einer schlaffen Packung schüttelte: Imperial Palace, eine Marke, die es nur in der Volksrepublik China gab.
    »Und?«
    Sie setzte sich kerzengerade ihm gegenüber auf den Stuhl und versuchte, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Ein wenig sexuelle Anziehung wäre sehr hilfreich gewesen bei diesen Gesprächen, aber er hatte niemals das geringste Interesse gezeigt. Sein Alter war auch keine große Hilfe. Massenmörder werden im Lauf der Zeit nicht unbedingt sanfter. Sein drahtiger Körper erinnerte sie an eine Ginsengwurzel. Sie erkannte darin den Willen ihres Volkes in seiner gröbsten Form. Ihre Schönheit, ihre vergrößerten Brüste, ihr Milliardenvermögen und der Respekt, den ihr die gesamte internationale Finanzwelt entgegenbrachte, machten keinerlei Eindruck auf diesen häßlichen alten Mann. Ohne sie anzusehen, begann er, in der Nase zu bohren.
    »Sie haben also zusammen mit Ihrem kleinen Freund, dem Anwalt, zu Mittag gegessen?«
    »Ja.«
    »Und?«
    »Ich habe es Ihnen schon gesagt: Er macht, was wir wollen.«
    »Ja, das weiß ich bereits. Wie haben Sie unsere Sache heute vorangetrieben? Nur das interessiert mich.«
    »Ich werde in ein oder zwei Tagen anrufen – dann wird er mich besuchen. Wenn Ihnen diese Sache wirklich ernst ist.«
    Der alte Mann grinste. »Was könnte ernster sein als fünfhundert Millionen amerikanische Dollar?«
    »Bar? Das ist die reine Provokation.«
    Er lachte wiehernd wie ein Pferd. »Das ist keine Provokation, sondern zweckmäßig. Ich habe diese gweilo -Spielchen satt. Warum sollten wir uns verstecken? Es sind jetzt nur noch zwei Monate, und wir haben schon gewonnen. Nun können wir anfangen, unseren Sieg zu genießen.«
    »Ich weiß. Allerdings verstehe ich nicht ganz, warum Sie schon so bald wieder fünfhundert Millionen Dollar bewegen müssen. Vor weniger als einem Monat haben Sie schon einmal eine halbe Milliarde verschoben.«
    Der alte Mann wurde wütend, bekam sich jedoch schnell wieder in den Griff. »Ich hatte ganz vergessen, daß ich Ihnen das erzählt habe. Damals ging es nicht um Geldwäsche. Wir haben für etwas bezahlt. In bar. Ich will, daß diese nächste Aktion absolut sauber und offiziell vor sich geht. Es gibt immer noch Teile von Hongkong, die uns nicht gehören.«
    Emily atmete tief durch. »Ich kann mir nicht vorstellen, welche.«
    Der alte Mann grinste süffisant. »Sagen Sie, dieser interessante Glücksfall mit dem Polizisten – haben Sie den weiterverfolgt?«
    »Der einzige Vorteil bei der Sache ist, daß Chief Inspector Chan Jonathan Wongs Schwager ist. Angeblich ist Chan ein Fanatiker – er haßt die Kommunisten. Ich weiß nicht, was Sie von Jonathan erwarten.«
    »Was ich von ihm erwarte? Sie sind doch miteinander verwandt, oder? Ihr Freund ist reich, und der Polizist ist arm. Wieviel will er?«
    Sie beobachtete ihn, während er einen langen Zug aus seiner Zigarette nahm.
    »Ich hab’s Ihnen schon gesagt – er ist ein Fanatiker. Ich glaube nicht, daß er käuflich ist.«
    Der alte Mann kickte den Fußschemel weg und sah sie zum erstenmal an. »Jeder ist käuflich. Außerdem ist er doch halber Chinese, oder?« Er lachte, dann machte er ein würgendes Geräusch. Gerade als er ausspucken wollte, fiel ihm ein, daß es in dem Raum keinen Spucknapf gab. Er schluckte. »Cuthbert wird sich darum kümmern müssen.«
    »Das wird er nicht. Hilfeleistungen und Begünstigungen gehören nicht zu unserem Deal – das wissen Sie. Er wird ein Auge zudrücken, aber mehr nicht.«
    Der alte Mann saß völlig bewegungslos da, ein Auge geschlossen, wie eine Echse auf einem Felsen.
    »Wollen Sie damit andeuten, daß wir eindeutigere Maßnahmen ergreifen müssen?«
    Emily spürte, wie sie rot wurde. Sie erhob sich und stellte sich direkt vor den alten Mann, der nur ein wenig blinzelte.
    »Könnt ihr Leute das nicht begreifen, daß ihr nicht einfach alle, die euch Probleme machen, töten könnt? Ja, ich wage es, Sie anzubrüllen. Werden Sie mich jetzt auch umbringen?«
    Er lachte. »Wer hat etwas von Umbringen gesagt? Ich möchte, daß der kleine Polizist seine Ermittlungen weiterführt. Ich möchte erfahren, wer in diesem Fleischwolf gestorben ist. Und ich möchte, daß er es mir als erstem sagt – vielleicht sogar als einzigem.«
    Er starrte sie

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