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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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zitterte er. Er konnte nicht beurteilen, wie genau sie ihn durch ihre dunkle Brille anschaute.
    »Schieß los. Dein ergebener Sklave ist nur zu begierig, dir zu Diensten zu sein.« Er war selbst erstaunt, wie wenig sarkastisch seine Worte klangen.
    »Erinnerst du dich noch, wie Zedfell Incorporated die Chancery Towers gekauft hat?«
    Wong warf ihr einen scharfen Blick zu. »Wie könnte ich das vergessen haben?«
    Es war vor ungefähr drei Jahren gewesen. Emily hatte seiner Kanzlei einen wichtigen Auftrag vermittelt. Wie üblich hatte sie das Geschäft über Wong abgewickelt, obwohl dieser normalerweise nichts mit Eigentumsübertragungen zu tun hatte. Er war damals davon ausgegangen, daß es sich um eine ganz normale Transaktion handelte, bis der zuständige Partner in der Kanzlei eine Zusammenkunft mit Wong und Rathbone, dem Seniorpartner, gefordert hatte. Der für die Eigentumsübertragung zuständige Partner war nervös gewesen.
    » Cash! Die wollen einen ganzen Büroturm in bar bezahlen! Da ist ein Haken dran, und ich bin nicht bereit, die Sache durchzuziehen, bevor ich nicht die volle Unterstützung sämtlicher Partner habe.«
    Wong hatte zugeben müssen, daß der Mann recht hatte. Zedfell Incorporated, der zukünftige Käufer eines soliden Wohnblocks, gehörte, das stellte sich bei näherer Überprüfung heraus, zu hundert Prozent einem ausländischen Unternehmen, das sich seinerseits im Besitz von sechzehn Chinesen mit Wohnsitz in der Volksrepublik China befand. Das Problem ergab sich durch aktuelle Gesetzesverschärfungen, die dazu dienen sollten, der Geldwäsche einen Riegel vorzuschieben. Niemand hatte irgendwelche Zweifel daran, daß die sechzehn Herren, denen Zedfell gehörte, korrupte kommunistische Kader waren, die eine Menge Geld angehäuft hatten, das sie irgendwo unterbringen mußten. Außerdem zweifelte niemand daran, daß Emily ihnen behilflich war, weil sie ihnen noch etwas schuldete.
    Rathbone hatte schließlich einen Weg gefunden, die Vorschriften gegen die Geldwäsche zu umgehen. Doch von diesem Zeitpunkt an hatte die Kanzlei Emily in anderem Licht gesehen. Fortan war sie in ihren Augen nicht mehr allererste Sahne, sogar für Wong nicht mehr.
    Emily nahm die Sonnenbrille ab und sah ihn an. »Tja, Zedfell Incorporated will noch drei Wohnblocks kaufen, zwei in Kowloon, in der Nähe von Castle Peak, und einen am North Point. Außerdem haben sie die Verhandlungen über einen Bürokomplex in Kennedy Town erfolgreich abgeschlossen.«
    »Verstehe.«
    »Der Gesamtpreis für alle vier Transaktionen wird um die fünfhundert Millionen US-Dollar liegen. Die Zahlung erfolgt bar. Deine Kanzlei wird selbst das Geld erhalten und es zur Bank bringen.«
    Wong nahm einen Schluck Perrier. Auch unter der Markise war es heiß. Er schwitzte und wünschte, daß er seine Sonnenbrille mitgebracht hätte.
    Er schluckte. »Nein, Emily, es tut mir leid.«
    Sie setzte ihre Sonnenbrille wieder auf und schaute hinaus auf den Lamma Channel. Zwei volle Minuten lang betrachtete er ihr Profil, das vorstehende Kinn, die dunkle Brille und den Bademantel.
    »Emily?«
    Sie wandte sich ihm wieder zu und schob die Brille über die Stirn auf ihren Kopf. Zuerst dachte er, sie lächle, doch dann sah er, daß sie das Gesicht verzog. In all den Jahren hatte sie ihm nie diese Seite ihrer Persönlichkeit gezeigt, die Seite, über die die Leute tuschelten: ihren Killerinstinkt.
    »Wir müssen alle irgendwann erwachsen werden, Johnny. Ich habe dir dabei geholfen, diesen Moment so lange wie möglich hinauszuzögern. Jetzt kann ich mir das nicht mehr leisten. Außerdem habe ich dich faul und dumm gemacht. Also hör zu: Du wirst das, was ich von dir verlange, tun. Verstanden? Natürlich wirst du dafür wie immer deine maßlosen Gebühren erhalten, egal, wie hoch sie sind.«
    Wong öffnete noch ein paar Knöpfe seines Hemds und wischte sich die Hände an der Kent-and-Curwen-Jacke ab, die er über den Stuhl geworfen hatte. Er fand eine Zigarette in einer der Taschen und zündete sie sich an. Emily hatte sich mittlerweile wieder von ihm abgewandt und zeigte ihm ihr störrisches Profil. Er tat nichts, um das Schweigen zu beenden. Offener Widerstand würde sie nur noch entschlossener machen. Doch wenn es ihm irgendwie gelang, sie zu beruhigen, würde sie einsehen, wie lächerlich sie sich machte.
    Er zündete sich eine zweite Zigarette an der ersten an, erhob sich, ging um den Tisch herum und ging neben ihrem Stuhl in die Hocke. Zu seiner Überraschung

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