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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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sie noch mehr Alkohol wollte, verkniff es sich aber. Er wußte: sie merkte, daß er wartete.
    Als er bezahlt hatte, führte er sie zu dem Fußweg, der sich um den Peak windet und von jedem Hongkong-Besucher mindestens einmal aufgesucht wird. Sechshundert Meter unter ihnen schickte ein von Menschen geschaffenes Sternbild tausend Lichtpunkte himmelwärts – wie eine riesige Botschaft für Außerirdische: Das hier ist Reichtum. Nach ungefähr eineinhalb Kilometern eröffnete sich hinter einer Kurve der weniger entwickelte Teil der Insel. Chan ging mit Moira zu einer Bank mit Blick über Pok Fu Lam und hielt ihre Hand, als sie sich setzten.
    Moira packte seine Hand fester. »Tja, jetzt ist’s wohl soweit, was?«
    »Ja, ich denke schon.«
    Sie räusperte sich. »Ich habe ein paar Bilder mitgebracht. Mit Fotos fällt es mir leichter, Geschichten zu erzählen. Hier ist das erste.«
    Sie holte einige Bilder aus ihrer Handtasche und gab ihm eines. Eine junge Polizistin in der blauen Uniform des New York Police Department. Chan fielen der feine irische Kiefer, die selbstbewußte Haltung und die weiblichen Formen unter der häßlichen Uniform auf.
    »Und das bin ich, ungefähr zur gleichen Zeit, aber ohne Uniform.«
    Sie trug ein Abendkleid, das ihr ungefähr bis zur halben Höhe der Oberschenkel reichte und ihre vollen, jugendlichen Brüste bestens zur Geltung brachte.
    »Tolle Titten«, sagte Chan, der gerade dabei war, sich in Direktheit zu üben.
    »Mein Vater hat mich verwöhnt. Er hat mir gesagt, ich könnte jeden Mann haben, den ich wollte. Tja, und Mädchen, die jeden Mann haben können, den sie wollen, suchen sich für gewöhnlich den falschen aus. Von all den Kerlen bei der Polizei, die hinter mir her waren, habe ich mich ausgerechnet für Mario entschieden. Er war Captain und der einzige, der noch nie verheiratet gewesen war, aber das war nicht der Hauptgrund. Ich hab’ mich einfach unsterblich in ihn verliebt, wie das allen ernsthaften Mädchen früher oder später passiert. Kann ich eine von deinen Zigaretten haben?«
    Chan hielt ihr die offene Schachtel hin, nahm sich selbst auch eine und zündete beide an.
    »Ich muß noch ein bißchen zurückgreifen und dir erzählen, warum ich überhaupt zur New Yorker Polizei bin. Der Grund ist leicht zu verstehen: Die Polizei war die Religion, mit der ich aufgewachsen bin. Mein Vater war Captain, drei meiner Brüder waren bereits bei der Polizei, einer von ihnen Sergeant, und wir waren Iren von der Sorte, von der man normalerweise nicht allzuviel hört. Ich will damit sagen, daß wir kreuzehrlich waren. Als ich ein Jahr nach meiner Heirat gemerkt habe, daß Mario Geld von der Mafia nahm, habe ich mich von ihm getrennt, obwohl wir zu dem Zeitpunkt schon Clare hatten. Meine tiefe Liebe hat sich innerhalb von vierundzwanzig Stunden in tiefen Haß verwandelt. Schließlich hatte ich mir, solange ich denken konnte, die Predigten meines Vaters gegen korrupte Polizisten anhören müssen. Und ich war damals noch sehr jung. Die Jugend denkt Schwarz-Weiß, ganz Amerika denkt Schwarz-Weiß, und besonders die Bullen denken Schwarz-Weiß. Mario hatte unrecht, und ich hatte recht.
    Italiener denken nicht Schwarz-Weiß. Für sie kann man über alles verhandeln. Im nachhinein betrachtet, glaube ich, daß das unser Hauptstreitpunkt war. Er war schockiert, hat mich angefleht und mir gesagt, wie sehr er mich liebt. Aber ich habe mich nicht erweichen lassen.«
    Sie lächelte Chan an und nahm einen Zug aus der Zigarette.
    »Kriminelle sind keine schlechten Menschen«, sagte Chan, »sie brechen nur das Gesetz.«
    »Heute glaube ich, daß ich ihn hätte retten können. Ich bin altmodisch genug zu denken, daß eine Frau das für einen Mann tun kann. Aber laß mich ein paar Jahre weiterspringen. Clare blieb bei mir, sah ihren Vater an den Wochenenden, und ich stürzte mich in die Arbeit. Klar, ich machte erst mal eine Zeit des Männerhasses durch, aber die dauerte nicht lange. Ich gehöre nämlich zu den Frauen, die die Männer tatsächlich mögen. Mein Feminismus war eher politischer, wirtschaftlicher Natur. Ist er übrigens immer noch. Gleiche Rechte, gleiche Bezahlung, dafür setze ich mich ein. Das hatte viel damit zu tun, daß ich eine alleinerziehende Mutter war und beruflich nicht so recht weiterkam. Es waren noch die Anfänge der Berufstätigkeit von Frauen. Ich glaube nicht, daß ich damals übermäßig militant gewesen bin, aber Clare hat irgendwie die Botschaft aufgeschnappt, daß

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