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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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konnte.
    »Ich hasse Sie wie alle korrupten Bullen.«
    Seine große Faust schlug ungefähr zwei Millimeter von Chans linkem Auge entfernt in seine offene Hand. Chan kannte die unterschiedlichsten Fäuste aus seinen Karatetagen. Es gab Fäuste, die, egal wie groß sie waren, immer nur oberflächlichen Schaden anrichteten, und Fäuste, mit denen man dem Gegner die Rippen brechen, die Stirnhöhlen oder den Schädel einschlagen konnte. Forte war stolz auf seine Fäuste.
    Cuthbert erhob sich und durchquerte das Zimmer. Dann beugte er sich genau wie Forte zu Chan herunter.
    »Wer bezahlt Sie?«
    »Wer mich bezahlt?«
    »Warum?«
    »Welchen Agenten verwenden die hier?«
    »Welchen Agenten?«
    »Wo sind die restlichen Waffen?«
    »Die restlichen Waffen?«
    »Wofür sind die Waffen?«
    »Ist es Heroin?«
    »Heroin?«
    »Was wollen sie?«
    »Wer?«
    »Was hat das alles mit den Leichen im Bottich zu tun?«
    »Ah!«
    »Warum haben sie das Mädchen und die zwei Chinesen umgebracht?«
    »Was haben sie gewußt?«
    »Woher kam das andere Zeug?«
    »Ja, Chan, das andere Zeug?«
    »Das Gift, Chan, das alles vernichtet, wem gehört es?«
    »Wem gehört es?«
    »Wer hat Ihnen gesagt, wo Sie es finden können?«
    »Es?«
    »Wem gehört es?«
    »Ich komme nicht mehr mit.«
    »Haben Sie geliefert oder erhalten?«
    »Haben Sie geliefert oder erhalten?«
    »Welches von beiden, Chan?«
    »Welches, Chan?«
    »Wer, Chan?«
    »Ich werde jetzt gehen, Chan.«
    »Er geht jetzt, Chan.«
    »Ich gehe jetzt, Chan.«
    Cuthbert ging auf die Tür zu. Chan hörte, wie er sie aufmachte und wieder schloß, und sah sich mit flehendem Blick um. Cuthbert war weg.
    »Ja, ja, Chan, jetzt ist er weg«, sagte Forte und beugte sich mit schadenfrohem Grinsen über ihn.
    Chan spürte, wie die Muskeln unter seinem linken Auge zuckten. Er war froh, daß Moira das nicht sehen konnte. Wo war sie jetzt wohl? Irgendwo jenseits der internationalen Datumsgrenze. Jedenfalls in Sicherheit. Chan stellte die Füße nebeneinander unter den Stuhl, preßte beide Fersen fest auf den Boden, neigte den Kopf leicht nach vorn und schnellte hoch. Die Kraft seiner Oberschenkelmuskeln katapultierte seine Stirn direkt in Fortes Gesicht. Der Südafrikaner wich kreischend zurück; Blut spritzte aus seiner gebrochenen Nase. Chan wich zur Seite, packte einen Stuhl und hielt ihn mit den Beinen nach oben zum Schutz vor sich, während er sich in eine Ecke zurückzog. Forte starrte das Blut an seinen Händen an. Die Tür wurde aufgerissen. Fünf bullige Männer stürmten in den kleinen Raum. Cuthbert kam hinterher. Chan wartete wie eine Katze, die man in die Enge getrieben hatte.
    »Nehmt ihm den Stuhl weg. Wir bringen ihn ins Krankenhaus.«
    Die Stimme des Politischen Beraters klang nicht mehr träge.
     
    Chan, der mit Handschellen im hinteren Teil eines großen Lieferwagens saß, merkte, daß er einen blauen Fleck an der Stirn bekam. Ganz irrational machte er sich Gedanken über Fortes Blut auf seiner Stirn. Hoffentlich verwendete Forte Kondome. Der Südafrikaner tröstete sich mit einem weißen, gefalteten Handtuch im Führerhaus des Lieferwagens. Drei andere Beamten der ICAC saßen zusammen mit Cuthbert hinten. Alle starrten Chan wütend an. Er war von Engländern umgeben. Es war ein Fauxpas gewesen, Forte die Nase einzuschlagen; das ließ sich vermutlich mit einem Furz auf einer Abendeinladung vergleichen. Die Engländer vergaben solche Fauxpas nie. Sogar auf Cuthberts Stirn stand der Schweiß; er schien so etwas wie einen Countdown zu signalisieren.
    Im nachhinein wurde Chan klar, daß Forte überhaupt nicht vorgehabt hatte, ihn zu schlagen. Also hatte er selbst Cuthberts Plan durchkreuzt. Folglich kam jetzt Strategie B zum Einsatz. Es war etwas passiert, das die Sicherheit Hongkongs gefährdete und das Verhältnis zwischen England und China beeinträchtigte, und daran war nur Chan schuld. Soviel war klar. Ihm fehlten lediglich die Details: Was? Wo? Wann? Und warum mußte er ins Krankenhaus? Soweit er das beurteilen konnte, brauchte nur Forte einen Arzt.
    Allerdings nahmen sie ihm die Handschellen ab, bevor sie ihn aus dem Lieferwagen herausließen, eine Geste, die letztlich nicht viel bedeutete, weil er von kräftigen Männern umgeben war, die dafür sorgten, daß er sich auch ohne Handschellen kaum bewegen konnte. Im Krankenhauslift war die Atmosphäre besonders klaustrophobisch, denn alle drückten sich ganz dicht an Chan heran. Als die Türen aufgingen, warteten dahinter zwei weitere

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