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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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den Nagel gerissen hatte.«
    »Ja, auf das Essen – und auf China.«
    Henderson ließ den Blick einen Moment auf Cuthbert ruhen.
    »Ja – China. Ich glaube, wir sollten das Geschäftliche bis nach dem Essen verschieben. Sie wissen doch, daß ich Prioritäten habe.«
    Cuthbert warf einen verstohlenen Blick auf seine Uhr. Kurz nach eins. Daraus, wie Henderson dem Sommelier beim Öffnen des St.-Estèphe zusah, schloß Cuthbert, daß es später Nachmittag werden würde, bevor der Staatssekretär bereit wäre, über geschäftliche Fragen zu reden.
    Auch Jonathan Wong sah innerhalb von fünf Minuten bereits zum fünftenmal auf seine Uhr. Die Lastwagen sollten um ein Uhr da sein, waren aber wahrscheinlich im Verkehr auf der Queen’s Road steckengeblieben. Er sah, daß auch Sowcross, der Mann, den die Bank beauftragt hatte, die Aktion zu überwachen, unruhig war. Zwanzig schwerbewaffnete Sicherheitskräfte der Bank warteten vor dem unterirdischen Eingang zum Tresorraum. Am meisten Gedanken machte Wong sich allerdings über die fünf Weißen, die die Bank von einem fremden Sicherheitsdienst angeheuert hatte. Sie hatten ihre strategischen Positionen in und um den Tresorraum eingenommen – ganz nach eigenem Gutdünken. Sie lehnten an Wänden und Säulen, aber Wong entgingen nicht die wachsamen Augen in ihren schmalen Gesichtern. Sie waren mit Maschinenpistolen bewaffnet. Nach Aussage von Sowcross waren diese Sicherheitskräfte eigens eingeflogen worden.
    Wong hörte das Kommando und sah den Panzerwagen, der sich dem Tor näherte. Sowcross drückte auf einen Knopf hinter dem Eingang zum Tresorraum, das Stahltor rollte hoch, und der kleine Panzerwagen fuhr langsam die Rampe hoch. Wieder drückte Sowcross auf einen Knopf, und das Stahltor rollte herunter. Sie waren allein mit der ersten Lieferung. Wong sah zu, während einige der Sicherheitskräfte schäbige Pappkartons mit chinesischer Aufschrift an den Seiten entluden. Dann wechselte Wong einen Blick mit Sowcross und folgte ihm in den Tresorraum, wo sich bereits ein Team von Angestellten befand. Sie saßen alle auf einer Bank an der Wand; rechts neben ihnen warteten Geldzählmaschinen auf ihren Einsatz, die auf die jeweilige Währung eingestellt waren.
    Obwohl Geld sein bisheriges Leben bestimmt und strukturiert hatte wie ein Gott, hatte Wong noch nie so viel davon auf einmal gesehen. In dem Raum surrten die Maschinen, die Bündel um Bündel zählten, viele davon grün-weiß-schwarze US-Dollar. Dazu kamen die bunteren australischen Dollar, ein paar französische Francs mit dem Kopf von Delacroix, eine ganze Menge englischer Pfundnoten mit dem Konterfei der Queen, Deutsche Mark, holländische Gulden, italienische Lire, spanische Peseten und Singapur-Dollar – offenbar zahlte sich das Verbrechen auf der ganzen Welt aus. Plötzlich wurde Wong bewußt, wie banal Geld letztlich war. Menschen starben, verkauften sich als Sklaven und prostituierten sich für die Monotonie des Geldes. Wong sah, daß Sowcross ganz anders dachte. Der Engländer starrte voller Faszination die Berge von Bargeld an. Als die letzte Maschine mit dem Surren aufgehört hatte, stand er auf, um die Beträge zu notieren und sie in seinen Taschenrechner einzugeben. Dann kehrte er zu Wong zurück.
    »Natürlich werden wir den Betrag noch zweimal überprüfen, aber bei der ersten Zählung haben sich zweihundert Millionen amerikanische Dollar in unterschiedlichen Währungen ergeben.«
    Wong nickte. »Draußen sind noch zwei Lastwagen.«
    »Sie müssen unterschreiben – es sei denn natürlich, Sie wollen die Prüfung selbst vornehmen.«
    Er hielt ihm ein Clipboard mit einem Vordruck hin. Wong unterzeichnete im Namen seiner Kanzlei und bestätigte damit den Erhalt von zweihundert Millionen Dollar in unterschiedlichen Währungen. Sowcross überreichte Wong den Beleg. Da sie sich nichts mehr zu sagen hatten, gingen sie hinaus, um auf den nächsten Wagen zu warten. Auf der Queen’s Road begriff Wong schließlich, woher das Hintergrundgeräusch stammte, das im Verlauf seines Lebens immer lauter geworden war. Es war das erbarmungslose Donnern des Geldes.
     
    Um Viertel vor drei hatte Henderson sein letztes Stück Stilton verspeist und nippte an seinem zweiten Glas Dow’s. Normalerweise, so erinnerte sich Cuthbert, wurde die dröhnende Stimme des korpulenten Mannes bei einer Zigarre leise, diskret und ernst. Und tatsächlich – sobald der Kellner die Romeo y Julieta abgeschnitten hatte, lehnte sich Henderson ein

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