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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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wenig zurück, sah sich mit einer unerwartet schnellen Kopfbewegung um und sagte: »Nun?«
    »Xian steckt dahinter.«
    »Das tut er meistens, Milton. Praktisch immer, so lange ich zurückdenken kann.«
    »Diesmal wird’s möglicherweise schwierig, ihn in seine Schranken zu verweisen. Bis jetzt hat er uns nur mit seinem infantilen Drang, unsere Geduld auf die Probe zu stellen, geärgert. Aber jetzt, glaube ich, ist er wirklich wütend.«
    »Über etwas, das wir getan haben?«
    »Merkwürdigerweise habe ich nicht den Eindruck.«
    »Fangen Sie lieber ganz von vorne an, Milton, auch wenn ich die größte Hochachtung vor Ihrer Fähigkeit, sich knapp auszudrücken, habe. Schließlich haben wir noch den ganzen Nachmittag.«
    An den anderen Tischen im Jackson Room saßen nur noch fünf oder sechs Gäste. Die chinesischen Kellner machten, diskret wie edwardianische Butler, einen großen Bogen um Cuthberts Tisch; sie würden, falls nötig, auch bis sechs Uhr ungestört bleiben.
    »Gut. Ich fange also ganz von vorne an, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Erstens: Xian und seine sechzehn Kumpane haben ganz Südchina unter Kontrolle. Zweitens: Das Außenministerium hat bei den Verhandlungen über die Rückgabe Hongkongs an China einen großen Fehler gemacht, als es Xian nicht in die Gespräche mit einbezogen hat. Drittens: Sobald die britisch-chinesische Erklärung über die Rückgabe Hongkongs veröffentlicht wurde, hat Xian damit gedroht, die Grenzen zu öffnen, so daß zehn Millionen Menschen oder noch mehr nach Hongkong könnten, falls wir nicht bereit wären, uns auf geheime Abmachungen mit ihm einzulassen. Ich bin zu Ihnen gegangen, Sie zum Außenminister, der Außenminister zur Premierministerin, und die Premierministerin hat einen schrecklichen Wutanfall bekommen …«
    Henderson nickte und stippte die Asche von seiner Zigarre in einen schweren Aschenbecher aus Bronze. »Sie stand kurz davor, einen Krieg mit der Volksrepublik China vom Zaun zu brechen. Man hat mich gebeten, mit ihr zu sprechen. Ich habe fast den ganzen Tag gebraucht, sie zu beruhigen, und ich habe diese schrecklichen Sandwiches essen müssen, die die Leute in der Downing Street Nr. 10 heutzutage verzehren, um zu beweisen, daß sie beschäftigte, politisch korrekte Neurotiker sind wie alle anderen auch. Ich habe solche Verdauungsstörungen bekommen, Milton, daß ich fast die ganze Nacht nicht geschlafen habe.«
    Cuthbert verwehrte ihm ein Lächeln. »Mit Ihren unübertrefflichen Fähigkeiten haben Sie Mrs. Thatcher schließlich davon überzeugt, daß China nicht mit den Falklands vergleichbar ist. Selbst wenn die Möglichkeit bestünde, mit Hilfe überlegener Technologien einen Sieg über die Volksbefreiungsarmee zu erringen – und das wäre mehr als zweifelhaft –, war die Perspektive, eine Million chinesischer Soldaten oder mehr niedermähen zu müssen, um ein kleines Stück Felsen zu beschützen, das wir sowieso nie hätten stehlen dürfen, sogar für die Premierministerin zu entmutigend. Ich weiß nicht mehr genau, was sie zu Ihnen gesagt hat, aber ich kann mich noch gut erinnern, wie Sie es mir geschildert haben.«
    Henderson hob die Augenbrauen. »Sie haben gesagt, daß Weltreiche immer wieder ähnliche Entwicklungen durchgemacht hätten. Phase eins: Pioniere aus dem Mutterland nehmen Kontakt auf zu weniger hoch entwickelten Völkern in fernen Ländern. Phase zwei: Den Pionieren folgen Abenteurer, die darauf aus sind, Profit zu machen. Phase drei: Die Ureinwohner verlieren einen Teil ihrer Unschuld und verlangen höhere Gegenleistungen dafür, daß sie sich ausbeuten lassen. Phase vier: Das Mutterland schickt seine Armee. Phase fünf: Die fernen Länder werden kolonisiert und von zweitklassigen Leuten aus dem Mutterland verwaltet. Phase sechs: Die militärische und politische Kraft des Mutterlandes beginnt zu schwinden – es wird Zeit, sich zu verabschieden. Phase sieben: Die Grauzone zwischen der Entscheidung, die Kolonie zu verlassen, und dem tatsächlichen Abzug ist seitens des Mutterlandes von dem schizophrenen Bedürfnis gekennzeichnet, insgeheim zu kriechen und in der Öffentlichkeit den starken Mann zu markieren.«
    »Habe ich das wirklich gesagt?«
    »Ich habe das so verstanden, Michael, daß ich kriechen soll. Und genau das habe ich getan. Jedesmal, wenn dieser Barbar etwas will, und das passiert praktisch jede Woche, gehe ich – metaphorisch gesprochen – im Namen der Queen auf die Knie und küsse ihm den Arsch.«
    Henderson verschluckte

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