Die letzten Tage von Hongkong
sich am Rauch seiner Zigarre. »Du wütiger Himmel.«
»Erst gestern – und das ist nur ein Beispiel unter vielen – habe ich zulassen müssen, daß fünfhundert Millionen Dollar über die Grenze kamen. Eine halbe Milliarde! Natürlich will der Kerl uns nur provozieren. Ich habe ihm lediglich einmal einen Wunsch abgeschlagen, und das war, als er mich um militärische Unterstützung bei der Verlegung seiner Morphiumvorräte von der Grenze in seine Lagerhäuser in Kowloon gebeten hat.«
»Morphium?«
»Das steht in einem meiner Berichte an Sie – streng vertraulich, versteht sich. Er hat einige Fabriken in Yunan und kauft das Opium in Birma oder Thailand und baut auch immer mehr auf seinen eigenen Farmen an. Die ganze Angelegenheit wird von der Volksbefreiungsarmee überwacht. Er verkauft an unterschiedliche Mafiaorganisationen auf der ganzen Welt. Das ist sein lukrativstes Geschäft, wenn auch nicht seine einzige Einnahmequelle. Waffenverkäufe in den Nahen Osten bringen, soweit ich weiß, auch ein erkleckliches Sümmchen ein.«
Henderson ließ den Blick eine ganze Weile auf Cuthbert ruhen, während er einen Zug aus seiner Zigarre nahm. »Na so was. Jedenfalls ist es Ihnen gelungen, sich aus dem Morphiumhandel herauszuhalten, ohne eine Invasion zu provozieren – meinen Glückwunsch.«
»Er hat gesagt, er braucht uns sowieso nicht – er würde statt dessen die örtlichen Triaden benutzen. Und genau das hat er gemacht. Wir müssen hilflos zusehen, wie das organisierte Verbrechen hier in der Gegend, besonders die 14K- und Sun-Yee-On-Triaden, unter dem Schutz der Volksbefreiungsarmee wächst und gedeiht.«
Cuthbert schwieg eine Weile. Er hatte sich bemüht, jede Emotion aus seinen Schilderungen herauszuhalten, denn Henderson haßte nichts mehr an seinen Leuten als ihre Versuche, sich als Moralapostel aufzuspielen. So gewöhnliche Reaktionen sollten seiner Meinung nach den Politikern vorbehalten bleiben.
Henderson betrachtete seine Zigarre, die sich am Ende schwarz vom Teer färbte. Er rollte sie zufrieden lächelnd zwischen Daumen und Zeigefinger.
»Wissen Sie, ich glaube nicht, daß es in meinem Leben irgend etwas gibt, das ich bereuen müßte. Am glücklichsten bin ich darüber, daß ich Gelegenheit gehabt habe, mich mit Geschichte zu beschäftigen. Sie gibt einem nicht nur einen Sinn für Perspektive, sondern verleiht dem Kenner menschlicher Fehler auch eine feine Nase für die Verbindung, die zwischen der Geographie und der Lebensart der Leute besteht. Wenn ich einmal im Ruhestand bin, werde ich eine kurze Abhandlung verfassen, um meine Theorie zu belegen. Es sind nicht die Menschen selbst, Milton, sondern etwas, das in bestimmten Teilen der Welt aus dem Boden strömt. Dieses Etwas veranlaßt den Menschen dazu, sich über Generationen hinweg gleich zu verhalten. Südchina scheint der Winkel der Erde zu sein, den die Götter sich für die Piraterie und vor allen Dingen für den Drogenhandel auserkoren haben. Die Chinesen machen jetzt nur das mit uns, was wir vor hundert Jahren mit ihnen gemacht haben. Und das noch dazu am selben Ort: Lagerhäuser in Kowloon. Faszinierend.«
»Ich freue mich schon darauf, Ihre Abhandlung zu lesen, Michael. Möglicherweise werden Sie jedoch feststellen, daß die gegenwärtigen Ereignisse sich durch Geschichtskenntnisse nicht vorhersagen ließen.«
Henderson nickte bedächtig mit dem Kopf, fast wie ein Schaukelpferd. »Fahren Sie fort.«
»Ich habe mir die Sache zusammenreimen müssen, so gut ich konnte. Und mein vorläufiger Schluß sieht so aus: Unser moderner Dschingis-Khan scheint es sich in den Kopf gesetzt zu haben, daß er zu Weihnachten eine Atombombe möchte, und eine der örtlichen Triaden, wahrscheinlich die 14K, haben ihre internationalen kriminellen Kontakte spielen lassen, um einen Lieferanten für angereichertes Uran in Sprengkopfqualität zu beschaffen.«
Falls Cuthbert sich Hoffnungen auf einen Funken Anteilnahme gemacht hatte, wurde er enttäuscht. Henderson nickte nur wieder, obwohl Cuthbert merkte, daß der korpulente Mann ihm aufmerksam zuhörte.
»Ah!« sagte Henderson schließlich.
»Etwas, ich weiß nicht was, ist schrecklich schiefgegangen bei dem Handel, weil das Uran zusammen mit einigen Kleinwaffen und anderen zu kriminellen Zwecken genutzten Gegenständen, die uns hier nicht weiter interessieren sollen, abgestoßen wurde. Offenbar hatte die Einführung von Uran in diese Kolonie auch mit einem Bottich voll menschlichem Hackfleisch zu tun, das
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