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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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rauher Stamm dem Sturme zu trotzen vermag, ist weniger Gefahr verbunden, als für die zarten Zweige der Myrte und die lachenden Büscheln des Weinstocks.
    Man war jetzt weit im August vorgerückt – ihre Hochzeit war auf den nächsten Monat festgesetzt und die Thürschwelle des Glaukus bereits mit Kränzen geschmückt, während er selbst des Nachts vor Ione's Thür reiche Libationen brachte. Für seine munteren Genossen war er nicht mehr da, sondern stets bei Ione. In den Vormittagen verkürzten sie die heißen Stunden mit Musik, in den Abenden aber verließen sie die angefüllten Versammlungsorte froher Menschen, um Spazierfahrten auf dem Wasser oder Ausflüge nach den fruchtbaren und rebenbedeckten Ebenen zu machen, die am Fuße des verhängnisvollen Berges Vesuv liegen. Die Erde bebte nicht mehr; die lebhaften Pompejaner vergaßen sogar die erhaltene fürchterliche Warnung ihres hervorstehenden Looses. Glaukus sah in der Eitelkeit seiner heidnischen Religion in jener Erschütterung ein besonderes Einschreiten der Götter, weniger zu seiner eigenen, als vielmehr zu Ione's Rettung. Er brachte Dankopfer in den Tempeln seines Glaubens und selbst der Altar der Isis war mit seinen Votivkränzen bedeckt. Was das Wunder des belebten Marmorbildes anbelangt, so erröthete er über den Eindruck, den es auf ihn hervorgebracht. Er glaubte zwar, daß es durch menschliche Zauberkraft bewerkstelligt worden sei, aber der Erfolg überzeugte ihn, daß sich keineswegs der Zorn der Göttin darin ausgesprochen hatte.
    Von Arbaces hörten sie nur, daß er noch am Leben sei; auf das Schmerzenslager gestreckt, erholte er sich langsam von den Folgen des erlittenen Schlages. Er ließ die Liebenden unbelästigt, aber nur um über die Stunde und die Art seiner Rache zu brüten.
    Wie Morgens im Hause Ione's, so war auch Abends auf ihren Spaziergängen Nydia ihre beständige und oft einzige Gesellschaft. Das geheime Feuer, das sie verzehrte, ahnten sie nicht; das freie Wesen, mit dem sie sich ganz unversehens in ihr Gespräch mischte, ihre launenhafte und oft mürrische Stimmung fand in der Erinnerung an den Ione geleisteten Dienst und in dem Mitleiden mit ihrem Unglück die vollste Nachsicht. Vielleicht fühlten sie gerade wegen der Sonderbarkeit und des Eigensinnes ihrer Natur, wegen der auffallenden Übergänge von Leidenschaftlichkeit und Milde – der Mischung von Unwissenheit und Genie, von Zartgefühl und Rauheit, den schnellen Launen eins Kindes und der stolzen Ruhe eines Weibes – eine um so größere und innigere Theilnahme für sie. Obgleich sie sich weigerte, ihre Freilassung anzunehmen, so ließ man ihr doch beständig alle Freiheit; sie ging wohin sie mochte, ihren Worten und Handlungen war kein Zwang angelegt, denn Glaukus und Ione fühlten für ein so unglückliches und für jede Wunde so empfängliches Wesen dieselbe mitleidsvolle Nachsicht, welche eine Mutter für ein verwöhntes und kränkliches Kind fühlt, und mochten selbst da ihr Autorität nicht gebrauchen, wo sie es zu Nydia's eigenem Besten zu thun gewünscht hätten. Sie benützte diese Freiheit zunächst dazu, sich die Gesellschaft des Sklaven zu verbitten, der sie nach dem Wunsche ihrer Gebieter hätte begleiten sollen. Mit dem leichten Stabe, der ihre Schritte lenkte, schritt sie auch jetzt, wie in ihrem frühen schutzlosen Zustande durch die volkreichen Straßen; fast wunderbar zu schauen war es, wie schnell und wie gewandt sie durch jeden Volkshaufen sich Bahn brach, jede Gefahr vermied, und ihren umnachteten Weg durch die verwickelsten Straßenwendungen finden konnte. Ihr Hauptvergnügen jedoch bestund noch immer darin, die wenigen Fuß Bodens zu besuchen, die den Garten des Glaukus bildeten, und die Blumen zu pflegen, die wenigstens ihre Liebe vergalten. Bisweilen trat sie in das Zimmer, wo er saß, und suchte ein Gespräch anzuknüpfen, das sie beinahe jedesmal plötzlich wieder abbrach – denn ein Gespräch mit Glaukus zielte nur auf einen Gegenstand – auf Ione, und dieser Name aus seinen Lippen verursachte ihr schreckliche Qualen. Oft bereute sie bitterlich den Dienst, den sie Ione erwiesen hatte; oft sagte sie zu sich selbst: »Wäre sie gefallen, so hätte Glaukus sie nicht länger lieben können!« und dann schlichen sich dunkle und fürchterliche Gedanken in ihre Brust.
    Als sie so edelmütig gehandelt, hatte sie die Prüfungen, die ihrer harrten, noch nicht völlig kennen gelernt. Sie war noch nie dabei gewesen, wenn Glaukus und Ione beisammen

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