Die letzten Tage von Pompeji
segeln die Götzendiener irdischer Pracht, unbewußt und freudig in ihren Täuschungen, auf den großen Ocean des Sturmes und Schiffbruches hinaus; still und unbeobachtet fuhren wir an ihnen vorbei, um das Land zu erreichen.«
Apäcides schlug die Augen auf und gewahrte durch die Oeffnung an der Decke das Gesicht einer der Personen, die sich in jener m untern Barke befanden – es war das Gesicht Ione's. Die Liebenden hatten sich zu jener Spazierfahrt eingeschifft, auf der wir sie begleiten. Der Priester seufzte und sank auf seinen Sitz zurück. In der Vorstadt, an einer Stelle, wo eine Reihe kleiner und bescheidener Häuser sich bis zum Flusse hinstreckten, erreichten sie das Ufer. Sie traten ans Land, und Olinth, der dem Priester voranging, führte diesen durch ein Labyrinth von Gäßchen, bis er endlich vor der verschlossenen Thüre einer etwas größeren Behausung anlangte. Dreimal klopfte er; die Thüre ging auf und schloß sich wieder, so bald Apäcides seinem Führer über die Schwelle nachgefolgt war.
Nachdem sie ein einsames Atrium durchschritten, gelangten sie in ein inneres Gemach von mäßiger Größe, das, wenn die Thüre geschlossen war, all sein Licht nur durch ein kleines, über der Thüre selbst angebrachtes Fenster erhielt. An der Schwelle dieses Zimmers jedoch blieb Olinth stehen, klopfte an und sagte: »Friede sei mit Euch!« worauf eine Stimme von innen antwortete: »Friede mit wem?«
»Mit den Gläubigen,« entgegnete Olinth und die Thüre ging auf. Da saßen zwölf oder vierzehn Personen, schweigend und dem Anscheine nach in Gedanken versunken, in einem Halbkreise, ihnen gegenüber aber befand sich ein roh aus Holz geschnitztes Kruzifix.
Als Olinth eintrat, schlugen sie, ohne zu sprechen, ihre Augen auf; der Nazarener selbst kniete, bevor er sie anredet, sofort nieder und aus seinem bewegten Lippen und dem fest auf das Kreuz gerichteten Blicke, ersah Apäcides, daß er im Stillen betete. Nachdem diese religiöse Handlung vollbracht war, wandte sich Olinth gegen die Versammlung mit den Worten: »Männer und Brüder, erschreckt nicht, einen Priester der Isis in Eurer Mitte zu sehen; er hat bei den Blinden geweilt, aber der Geist ist über ihn gekommen; er wünscht zu sehen, zu hören und zu verstehen.«
»Möge er das thun,« sagte einer von der Versammlung, in welchem Apäcides einen noch jüngern Mann als er selbst, erblickte, von einem gleich blassen und abgemagerten Gesicht, dessen Auge in gleichem Maaße die rastlose und feurige Thätigkeit eines regsamen Geistes zur Genüge andeutete.
»Möge er das thun,« wiederholte eine zweite Stimme, und der also sprach, stund in der Mitte seines Mannesalters; seine bronzierte Haut und seine asiatischen Züge verriethen in hm einen Sohn Syriens – in seiner Jugend war er ein Räuber gewesen.
»Möge er das thun,« sagte eine dritte Stimme und der Priester, der sich von Neuem nach dem Sprechenden umwandte, sah nun einen alten Mann mit langem, grauen Barte, in welchem er einen Sklaven des reichen Diomed erkannte.
»Möge er das thun,« wiederholten einstimmig die übrigen Leute, die, einen Officier der Leibwache und einen Kaufmann aus Alexandria ausgenommen, augenscheinlich der unteren Kaste angehörten.
»Wir verpflichten Dich nicht,« begann Olinth von Neuem, »wir verpflichten Dich nicht zur Geheimhaltung; wir legen Dir keine Eide auf, uns nicht zu verrathen, wie es manche unserer schwächeren Brüder thun würden. Es gibt allerdings kein bestimmtes Gesetz gegen uns, aber die Menge, wilder als ihre Gebieter, dürstet nach unserm Leben. So meine Freunde war es, als Pilatus zögerte, das Volk, welches schrie: ›Kreuzige ihn, kreuzige ihn!‹ Aber wir verpflichten Dich nicht zu unserer Sicherheit – nein, verrathe uns der Menge – klage uns an, lästere und verleumde uns, wenn Du willst; wir stehen über dem Tod, und würden freudig in die Löwengrube oder auf die Folterbank gehen – wir können das Dunkel des Grabes niedertreten und was für einen Verbrecher Tod ist, das ist für den Christen Ewigkeit.«
Ein leises und beifälliges Flüstern machte sich in der Versammlung bemerklich.
»Du bist in unsere Mitte gekommen als ein Prüfender, mögest Du bleiben als ein Bekehrter. Unsere Religion? Du siehst sie! Jenes Kreuz ist unser einziges Bild, jene Rolle enthält die Geheimnisse unseres Cäre und Eleusis! Unsere Moral? sie spricht sich in unserem Leben aus! Sünder sind wir Alle gewesen; wer kann uns aber jetzt eines Verbrechens anklagen?
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