Die letzten Tage von Pompeji
bemächtigt hat. Diese Stämme kamen theils aus Griechenland, theils waren sie Flüchtlinge von einem glühenderen und älteren Boden. In beiden Fällen bist Du egyptischer Abkunft, denn die Besieger der Ureinwohner Griechenlands gehörten zu den unruhigen Söhnen, die der Nil aus seinem Schooße verbannte. Du stammst also, o Saga, von Vorfahren ab, die den meinigen den Eid der Unterwürfigkeit schwuren. Durch Geburt sowohl als durch Wissen bist Du die Unterthanin des Arbaces. Höre mich denn an und gehorche!«
Die Hexe neigte ihr Haupt.
»Welche Zauberkünste wir auch besitzen,« fuhr Arbaces fort, »So sehen wir uns doch bisweilen zur Erreichung unseres Zwecks auf natürliche Mittel hingewiesen. Der Ring[Δακτυλομάντεια] und der Krystall[Κρυσταλλομάντεια] , die Asche[Τεφρομάντεια] und die Kräuter[Βοτανομάντεια] geben keine untrügliche Aussprüche; und selbst die höheren Geheimnisse des Monds entbinden den Besitzer des Gürtels nicht von der Nothwendigkeit, dann und wann menschliche Maßregeln zu einem menschlichen Zwecke anzuwenden; höre mich also! Du bist, so viel ich weiß, mit den Geheimnissen der tödtlicheren Kräuter wohl vertraut; Du kennst diejenigen, welche das Leben anhalten, welche die Seele durch Glut und Feuer aus ihrer Veste treiben, oder die Kanäle des jungen Bluts zu jenem Eis erstarren, das keine Sonne schmelzen kann. Überschätze ich Deine Kunst? Sprich, und zwar aufrichtig!«
»Mächtiger Hermes, dies ist allerdings mein Wissen. Betrachte diese geisterhaften und leichenähnlichen Züge, – die Farben des Lebens sind bloß deshalb aus ihnen geschwunden, weil ich über den giftigen Kräutern wache, die Tag und Nacht in jenem Kessel sieden.«
Als die Hexe so sprach, rückte der Egypter aus einer so unheiligen und ungesunden Nachbarschaft weg.
»Es ist gut,« antwortete er, »Du hast Dir jenen Grundsatz alles tiefen Wissens zu eigen gemacht, der da sagt: ›Verachte den Leib, um den Geist weise zu machen.‹ Doch jetzt zu Deiner Aufgabe. Sobald die Sterne morgen am Himmel erscheinen, kommt ein eitles Mädchen zu Dir, die von Deiner Kunst einen Liebeszauber verlangen wird, um Augen, die nur den ihrigen Süßigkeiten zuwinken sollten, von einer andern abzuziehen; statt der Liebestränke aber gib ihr eines Deiner stärksten Gifte. Möge der Liebhaber seine Gelübde den Schatten vorseufzen.«
Die Hexe zitterte von Kopf bis Fuß.
»O Verzeihung, Verzeihung furchtbarer Meister,« stammelte sie, »aber dies wage ich nicht. Das Gesetz in diesen Städten ist streng und wachsam, man wird mich festnehmen und tödten.«
»Zu welchem Zwecke also Deine Kräuter und Tränke, eitle Saga?« fragte Arbaces höhnisch.
Die Hexe verbarg ihr abscheuliches Gesicht in ihren Händen.
»Oh, vor Jahren,« sprach sie mit einer ungewöhnlich wehmüthigen und sanften Stimme, »war ich nicht, was ich jetzt bin – ich liebte und glaubte mich wieder geliebt.«
»Und was hat Deine Liebe, Hexe, mit meinen Befehlen zu schaffen?« fragte Arbaces heftig.
»Geduld,« erwiderte die Alte; »Geduld, ich bitte Dich. Ich liebte! eine Andere, nicht so schön als ich – ja, bei der Nemesis! nicht so schön, lockte meinen Auserwählten von mir ab – ich gehörte zu jenem dunkeln etrurischen Stamm, der vor allen andern die Geheimnisse der finstern Magie kannte. Meine Mutter selbst war eine Saga; sie theilte die Rachbegierde ihres Kindes; aus ihren Händen empfing ich den Trank, der mir seine Liebe wieder gewinnen, sowie das Gift, das meine Nebenbuhlern tödten sollte. O zermalmt mich, ihr fürchterlichen Wände! meine zitternden Hände verwechselten die Gefäße; mein Geliebter fiel mir allerdings zu Füßen, aber todt, todt! Was ist seit der Zeit das Leben für mich gewesen? Ich wurde plötzlich alt und weihte mich den Zauberkünsten meines Stammes; noch immer aber verdamme ich mich durch einen unwiderstehlichen Antrieb zu fürchterlicher Strafe, noch immer suche ich die schädlichsten Kräuter; noch immer koche ich Gift; und noch immer bilde ich mir ein, ich werde es meiner verhaßten Nebenbuhlerin geben; noch immer gieße ich es in das Gefäß, noch immer glaube ich, es werde ihre Schönheit zu Staub versengen; noch immer erwache ich und sehe den zuckenden Körper, die schäumenden Lippen, die starren Augen meines Aulus – ermordet und durch mich.«
Die fleischlose Gestalt der Hexe bebte unter gewaltigen Zuckungen.
Arbaces betrachtete sie mit neugierigen, aber
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