Die letzten Tage von Pompeji
– –«
»Still! Wie kennen einander – was sind die Götter für uns?«
»Also, bei der Furcht vor Deiner Rache, Nein!«
»Und warum hast Du dieses Geheimnis bisher vor mir verborgen? Warum hast Du gewartet bis zum Vorabend der Verurtheilung des Atheners, ehe Du mir zu sagen wagtest, daß Arbaces ein Mörder ist? Und nun Du so lange gezögert, warum enthüllst Du mir jetzt Dein Wissen?«
»Weil – weil –« stammelte Kalenus erröthend und verlegen.
»Weil,« unterbrach ihn Arbaces mit freundlichem Lächeln, indem er den Priester freundlich und vertraulich auf die Schulter klopfte; »weil Du, mein Kalenus (sieh, jetzt will ich in Deinem Herzen lesen und seine Beweggründe erklären), weil Du wünschtest, ich möchte mich so sehr in die gerichtliche Verhandlung verwickeln, daß mir keine Hinterthüre zur Rettung offen bliebe – ich möchte des Meineides und der Bosheit sowohl als des Mordes schuldig befunden und nachdem ich die Blutgier des Volkes selbst gereizt, ohne daß mich Reichthum oder Macht zu schützen im Stande wären, das Opfer dieses Durstes werden. Und Du enthüllst mir Dein Geheimnis jetzt, ehe die Verhandlung zu Ende und der Unschuldige verurtheilt ist, um mir zu zeigen, welch schlaues Gewebe der Bosheit Dein Wort morgen zerreißen könnte – um in dieser entscheidenden Stunde den Werth Deines Stillschweigens zu erhöhen – um mir zu zeigen, daß die Kunst, mit der ich die Volkswuth aufgereizt, bei Deinem Zeugnis auf mein eigenes Haupt zurückfallen, und daß der Löwe, statt für Glaukus, für mich seinen Rachen öffnen würde! Nicht wahr, ich habe Recht?«
»Arbaces,« erwiderte Kalenus, die gemeine Frechheit seiner Natur verlierend, »fürwahr, Du bist ein Magier; Du liest im Menschenherzen, als ob es eine Papyursrolle wäre.«
»Das ist mein Beruf,« antwortete der Egypter, sanft lächelnd. »Wohlan denn, schweige und wenn Alles vorüber ist, will ich Dich reich machen.«
»Verzeih mir,« versetzte der Priester, dem die Habsucht, seine Hauptleidenschaft, zuflüsterte, keiner allenfallsigen zukünftigen Freigebigkeit zu vertrauen; »verzeih mir; mit Recht sagtest Du so eben, wir kennten einander. Wenn Du mein Schweigen Dir sichern willst, mußt Du etwas zum Voraus bezahlen, als ein Opfer für Harpokrates[Der Gott des Stillschweigens] . Soll die Rose, das liebliche Sinnbild der Verschwiegenheit, feste Wurzeln schlagen, so begieße sie heute Nacht mit einem Strome Gold.«
»Witzig und poetisch,« antwortete Arbaces noch immer in jenem sanften Tone, der seinen habgierigen Gefährten einschläferte und ermuthigte, während er ihn hätte beunruhigen und zurückhalten sollen.
»Wozu dieser Verzug? Wenn ich einmal mein Zeugnis nicht ablegen kann, ohne die Schande auf mich zu laden, daß ich durch mein Zögern den Tod eines Unschuldigen zugegeben habe, dann vielleicht wirst Du meine Ansprüche vergessen, und in der That ist Dein gegenwärtiges Zaudern ein schlimmes Zeichen für Deine zukünftige Freigebigkeit.«
»Wohlan denn, Kalenus, was verlangst Du von mir?«
»Dein Leben ist sehr kostbar, und Dein Reichthum sehr groß,« erwiderte der Priester grinsend.
»Immer witziger. Aber sprich Dich aus – was soll die Summe sein?«
»Arbaces, ich habe gehört, in Deiner geheimen Schatzkammer unter diesen rohen oscischen Säulen, die Deine herrlichen Hallen stützen, bewahrest Du Haufen von Gold, Vasen und Juwelen, die den Gewölben des vergötterten Nero's den Rang streitig machen könnten. Von diesen Vorräthen nun kannst Du leicht so viel hinwegnehmen, um Kalenus zum reichsten Priester in Pompeji zu machen, ohne daß Du den Verlust spürst.«
»Komm, Kalenus,« sprach Arbaces mit freundlichem Tone und mit der Miene der Offenherzigkeit und Großmuth: »Du bist ein alter Freund und warst mir ein getreuer Diener. Es kann ebensowenig Dein Wunsch sein, mir das Leben zu nehmen, als der meinige, Dir Deinen Lohn vorzuenthalten; Du sollst mit mir in dieselbe Schatzkammer, deren Du vorhin erwähntest, hinabsteigen; sollst Dein Auge am Glanz von ungezähltem Gold und am Funkeln unschätzbarer Edelsteine weiden, und heute Nacht schon zu Deinem Lohne so viel hinwegtragen, als Du unter Deinem Gewande verbergen kannst. Und hast Du einmal gesehen, wie viel Dein Freund besitzt, wirst Du auch ermessen, wie thöricht es wäre, feindlich gegen einen Mann aufzutreten, der so viel zu verschenken hat. Ist Glaukus nicht mehr, sollst Du dem Gewölbe einen zweiten Besuch abstatten. Spreche ich nicht offen und als
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