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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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Luft lebst, haben Dich ohne Zweifel die Vögel [Fußnote: Von den Vögeln nämlich glaubte man, sie wüßten alle Geheimnisse. Derselbe Aberglaube herrscht im Morgenland, und wird auch in unsern nordischen Sagen angetroffen. ] mit jeglichem Geheimnisse dieses Hauses vertraut gemacht; Du weißt, daß ich seit drei Jahren Alles gestohlen und gemaust habe, worauf ich ehrlicher Weise, das heißt ohne Gefahr, meine Hand decken konnte, und doch fehlen mir noch zweitausend Sesterze zu der vollen Summe. Werde ich im Stande sein, o guter Geist, das Fehlende im Laufe dieses Jahres zu ergänzen? Sprich, ha! kommt das Wasser in Wallung? Nein, alles ist still wie ein Grab. Gut also, wo nicht in diesem Jahre, doch in zwei Jahren? Ha, ich höre etwas! Der Geist kratzt an der Thüre; er wird augenblicklich hier sein. In zwei Jahren, mein guter Freund; ach, sag' doch in zwei; das ist doch eine ganz annehmbare Zeit. Was! noch immer stumm; in dritthalb Jahren – drei, vier? Daß Dich doch, Freund Geist! – Du bist keine Dame, das ist klar, sonst würdest Du nicht so lange schweigen. In fünf – in sechs – in sechszig Jahren? Ei, so mög' Dich Pluto holen! Ich will Dich nichts mehr fragen.«
    Voll Wuth goß sich Sosia das Wasser über die Beine. Dann brachte er nach langem Herumtappen und zahlreichen Flüchen seinen Kopf aus dem Tuche heraus, in welches er gänzlich eingewickelt war, starrte umher und entdeckte, daß er sich im Dunkeln befand.
    »He, he, Nydia die Lampe ist fort. Ha, Verrätherin, und Du bist auch fort; aber ich will Dich schon kriegen – Du sollst mir dafür büßen!«
    Tappend gelangte er an die Thüre. Sie war von außen verschlossen; er war statt Nydia's ein Gefangener. Was konnte er thun? Er wagte nicht laut zu klopfen oder zu rufen, damit ihn Arbaces nicht höre und entdeckt, wie er getäuscht worden. Nydia aber war unterdessen vermuthlich schon an der Gartenthüre angelangt und auf eiliger Flucht begriffen. »Aber,« dachte er, »Sie wird nach Hause gehen, oder wenigstens irgendwo in der Stadt sein. Morgen bei Tagesanbruch, wenn die Sklaven im Peristyl beschäftigt sind, kann ich Lärmen machen; dann wird man mich herauslassen und ich werde sie suchen. Ich werde sie gewiß auffinden und zurückbringen, ehe Arbaces eine Silbe von der Sache erfährt. Ja, dies ist der beste Plan. Kleine Verrätherin! meine Finger jucken nach Dir; und mir nur einen Becher Wasser da zu lassen! Wär' es Wein, so könnte ich mich doch einigermaßen trösten.«
    Während Sosia also in der Schlinge gefangen sein Geschick beklagte und über seine Pläne zur Wiedereinfangung Nydia's nachdachte, war das blinde Mädchen mit der ihr eigenthümlichen Sicherheit und Schnelligkeit leicht über das Peristyl geschritten, hatte den gegenüberliegenden, nach dem Garten führenden Gang betreten, und wollte gerade mit klopfendem Herzen auf die Thüre zugehen, als sie plötzlich Schritte herannahen hörte, und die fürchterliche Stimme des Arbaces selbst unterschied. In Zweifel und Schrecken blieb sie einen Augenblick stehen; dann erinnerte sie sich plötzlich, daß es noch einen andern Gang gebe, der gewöhnlich nur zum Einlaß der Schönen, die an des Egypters geheimen Gelagen theilnahmen, benützt, sich an dem Fundamente dieses gewaltigen Hauses gegen eine Thüre hinzog, die ebenfalls mit dem Garten in Verbindung stund. Vielleicht stand diese offen. Bei diesem Gedanken wandte sie sich hastig um, stieg die schmale Treppe rechts hinab und befand sich bald an der Mündung des Ganges. Ach, die Thüre in diesen Gang war verschlossen. Während sie sich über diesen mißlichen Umstand Gewißheit zu verschaffen suchte, hörte sie hinter sich die Stimme des Kalenus, und einen Augenblick darauf leise antwortend die des Arbaces. Hier konnte sie nicht stehen bleiben, denn wahrscheinlich schritten die Beiden gerade auf diese Thüre zu. Sie sprang vorwärts und fühlte sich auf unbekanntem Boden, die Luft wurde feucht und kalt; dies beruhigte sie. Sie glaubte nun in dem Kellergewölbe des prachtvollen Gebäudes, oder wenigstens an irgend einer geringen Lokalität sich zu befinden, die wohl schwerlich von dem stolzen Herrn des Hauses besucht werden würde, als ihr feines Ohr von Neuem Schritte und Stimmen vernahm. Da eilte sie mit ausgestreckten Armen vorwärts, und stieß jetzt häufig auf dicke und massive Pfeiler. Mit einem durch die Furcht noch verstärkten Takt entging sie diesen Gefahren, und setzte ihren Weg fort, indem die Luft immer feuchter und

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