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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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und des Weihrauchs zu verzehren begannen. Plötzlich folgte dem Geflüster der Menge ein tiefes Stillschweigen, die Priester versammelten sich um die Cella herum, und ein anderer Priester, ganz nackt bis auf einen Gürtel um die Lenden, trat schnell vor, tanzte unter wunderlichen Geberden und flehte die Göttin um eine Antwort an. Endlich hörte er, vor Mattigkeit erschöpft, auf und in dem Körper der Statue ließ sich ein leises Gemurmel vernehmen; dreimal nickte sie mit dem Kopfe, ihre Lippen öffneten sich und hierauf sprach eine Grabesstimme folgende geheimnisvolle Worte aus:
»Ich sehe die Wogen im Kampfe sich wälzen,
Ich sehe ein Grab im umfluteten Felsen;
Die Stirne der Zukunft, sie brütet Gefahren,
Doch euch wird die Schiffe das Schicksal bewahren.«
     
    Die Stimme schwieg, die Menge athmete leichter und die Kaufleute sahen einander an.
    »Nichts kann deutlicher sein,« sprach Diomed leise; »auf dem Meere wird es einen Sturm geben, wie es beim Eintritte des Herbstes sehr häufig geschieht; aber unsere Schiffe werden gerettet werden. O wohlthätige Isis!«
    »Gelobt sei die Göttin in Ewigkeit!« riefen die Kaufleute; »was kann unzweideutiger sein, als ihre Vorhersagung?«
    Der Oberpriester hob eine seiner Hände in die Höhe, zum Zeichen des Stillschweigens (denn die gottesdienstlichen Gebräuche der Isis heischten einen, den lebhaften Pompejanern beinahe unmöglichen Stillstand der Sprachwerkzeuge) und vollzog die Libation auf dem Altare; nach einem kurzen Schutzgebete war die Ceremonie zu Ende und die Versammlung wurde entlassen. Nachdem die Menge sich zerstreut hatte, blieb der Egypter gleichwohl bei dem Gitter zurück, und als der Weg frei genug war, näherte sich ihm einer der Priester und grüßte ihn mit allem Anschein großer Vertraulichkeit.
    Das Gesicht dieses Priesters war auffallend widrig. Sein glattrasierter Schädel war vorn so platt und schmal, daß er fast dem eines afrikanischen Wilden gleichkam, ausgenommen gegen die Schläfe zu, wo er in jenem Organ, das die Jünger einer dem Namen nach neuen, praktisch jedoch den Alten, wie wir an ihren Bildhauerarbeiten sehen, vollkommen bekannten Wissenschaft, das Organ des Erwerbssinnes nennen, zwei ungeheuer große, beinahe übernatürliche Erhöhungen zeigte, welche diesen mißgestalteten Kopf noch häßlicher machten. Um die Augenbrauen herum bildete die Haut ein Gewebe von tiefen und verwirrten Runzeln; die schwarzen und kleinen Augen rollten in gelbschmutzigen Höhlen; die kurze aber dicke Nase war an den Nüstern ausgespannt, wie bei einem Satyr, während die aufgeworfenen, blassen Lippen, die hohen Backenknochen, die bleichen und hautscheckigen Farben, die auf der pergamentartigen Haut sichtbar waren, eine Physiognomie vollendeten, die Niemand ohne Widerwillen und nur Wenige ohne Schrecken und Mißtrauen betrachten konnten. Welches auch die Wünsche des Geistes sein mochten – jedenfalls war ein solcher Körper fähig, sie alle zu vollführen. Die eisernen Kehlmuskeln, die breite Brust, die nervigten Hände und dürren Arme, die bis über die Ellenbogen entblößt waren, deuteten auf einen Körperbau hin, der in Stand setzte, sowohl mit großer Energie zu handeln, als auch mit Ausdauer zu leiden.
    »Kalenus«, sagte der Egypter zu diesem liebenswürdigen Flamen. »Du hast durch Befolgung meines Rathes die Stimme der Statue sehr verbessert, und Deine Verse sind vortrefflich. – Du magst immerhin günstigen Erfolg prophezeihen, wofern die Erfüllung einer solchen Vorhersagung nicht eine absolute Unmöglichkeit ist.«
    »Überdies,« setzte Kalenus hinzu, »wenn der Sturm eintritt und den Untergang der verwünschten Schiffe zur Folge hat, werden wir es nicht vorhergesagt haben, und sind die Schiffe nicht bewahrt, wenn sie in Ruhe liegen? Sagt uns nicht Horaz, daß der Schiffer auf dem ägäischen Meere die Götter um Ruhe anflehe; an welcher Stelle im Meere aber kann er sie nun besser finden, als auf seinem Grunde?«
    »Ganz richtig, Kalenus, auch wünschte ich, daß sich Apäcides Deine Weisheit zum Muster nehme; doch ich möchte mit Dir noch über ihn und einige andere Gegenstände sprechen. Kannst Du mich in eines Eurer wenigen heiligen Gemächer führen?«
    »Ja wohl,« versetzte der Priester, indem er ihm in eines der kleinen Zimmer voranging, die das offene Thor umgaben. Hier setzten sie sich an einen kleinen Tisch, auf den man Platten mit Obst, Eiern und verschiedenen kalten Speisen, so wie Gefäße voll herrlichen Weines gestellt

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