Die letzten Tage von Pompeji
hatte. Während nun die Beiden hievon genossen, entzog sie zwar ein Vorhang, der an dem zum Hofe führenden Eingang herabhing, dem Auge der Neugierigen, erinnerte sie übrigens durch seine Dünne, daß sie nur durch leises Sprechen ihre Geheimnisse unbescheidenen Ohren entziehen könnten, oder gar nicht von solchen reden dürften. Sie entschieden sich für das Erstere.
»Du weißt,« sagte Arbaces, mit so weicher und verhaltener Stimme, daß sie kaum die Luft umher bewegte, »daß ich es mir immer zum Grundsatze gemacht habe, mich an die Jugend zu halten. Aus ihren biegsamen und ungebildeten Gemüthern schnitzle ich mir meine passendsten Werkzeuge. Ich bereite, knete und forme sie nach meinem Willen. Die Männer mache ich bloß zu Anhängern oder Dienern, die Weiber –«
»Zu Geliebten,« sagte Kalenus, dessen häßliche Züge ein bleifarbiges Lächeln in diesem Augenblicke nur noch mehr entstellte.
»Ja, ich verhehle es nicht, das Weib ist das erste Ziel – das große Verlangen meiner Seele; wie Du die Opferthiere für die Schlachtbank mästest, so liebe ich es, die Wesen, die meinen Lüsten dienen sollen, heranzubilden. Ich liebe es, ihren Geist heranzuziehen, zur Reise zu fördern und die zarte Blüte ihrer verborgenen Leidenschaften zu entwickeln, um die Frucht für meinen Geschmack vorzubereiten. Ich verachte ausgelernte und überreife Lustdirnen. Der wahre Reiz der Liebe besteht für mich nur in dem sanften und unbewußten Fortschritte von der Unschuld zum Verlangen; – so trotze ich der Übersättigung, und in dem ich die Frische der Gefühle Anderer betrachte, bewahre ich die Frische der meinigen. Aus dem jungen Herzen meiner Schlachtopfer nehme ich die Ingredienzien für den Kessel, worin ich mich selbst verjünge. Aber genug hievon; laß uns zu dem Gegenstande übergehen, der vor uns liegt. Du weißt, daß ich vor einiger Zeit Ione und Apäcides, Schwester und Bruder, die Kinder eines in Neapel ansäßigen Atheners, daselbst traf. Durch den Tod ihrer Eltern, die mich kannten und achteten, wurde ich ihr Vormund, und ich vernachlässigte mein Amt nicht. Der gelehrige und sanfte Jüngling war für die Eindrücke empfänglich, die ich ihm einzuprägen suchte. Nach den Frauen geht mir die Erinnerung an das Land meiner Väter über Alles; es macht mir Vergnügen, seinen dunkeln und geheimnisvollen Glauben zu erhalten, ihn an ferne Ufer, die ihre Kolonien vielleicht einst bewohnen, zu verpflanzen. Mit dem Vergnügen, den Göttern zu dienen, paart sich vielleicht dasjenige, die Menschen zu täuschen. Ich unterrichtete also den Apäcides in der heiligen Religion der Isis; ich enthüllte ihm einige jener erhabenen, in ihrem Cultus enthaltenen Allegorien, ich weckte in seinem, für religiöse Glut besonders empfänglichen Gemüthe jenen Enthusiasmus, der aus der Einbildungskraft Glauben erzeugt. Ich habe ihn zu Euch gebracht; er ist einer der Eurigen.«
»Er ist es,« sagte Kalenus; »aber indem Du seinen Glauben so steigertest, hast Du ihn seiner Weisheit beraubt; ein Schrecken befällt ihn bei dem Gedanken, nicht länger getäuscht zu sein. Unsere frommen Täuschungen, unsere redenden Statuen und unsere geheimen Treppen erschrecken, und empören ihn; zugleich seufzt er, zehrt ab, spricht unaufhörlich mit sich selbst und weigert sich, an unsern Ceremonien Theil zu nehmen. Es ist bekannt, daß er Leute besucht, die der Anhänglichkeit an diese neue und atheistische Lehre verdächtig sind, welche alle unsere Götter läugnet und unsere Orakel für die Eingebungen jenes bösen Geistes erklärt, von dem die Sagen des Morgenlandes erzählen. Unsere Orakel, ach! wir wissen wohl, wessen Eingebungen die sind.«
»Gerade das befürchte ich – nach einigen Vorwürfen, die er mir bei unserem letzten Beisammensein machte,« sagte Arbaces nachdenkend. »Er weicht mir seit neuerer Zeit aus, aber ich muß ihn aufsuchen, ich muß meinen Unterricht fortsetzen und ihn in das Heiligthum der Weisheit einführen. Ich muß ihn lehren, daß es zwei Stufen der Heiligkeit gibt, die erste Glauben – die zweite Täuschung – jene für den Pöbel, diese für den Weisen.«
»Ich kam nie über die erste Stufe,« sagte Kalenus, »und mir däucht, auch Du nicht, mein Arbaces.«
»Du bist im Irrthum,« versetzte der Egypter mit Würde; »ich glaube jetzt noch, zwar nicht das, was ich lehre, sondern das, was ich nicht lehre. In der Natur liegt etwas Heiliges, dem ich weder widerstehen kann, noch will. Ich glaube an mein eigenes Wissen,
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