Die letzten Tage von Pompeji
Waffe mit; sie könnte vielleicht nöthig sein.«
»Warte einen Augenblick,« sagte Apäcides, zog sich in eine der Zellen an den Seiten des Tunnels zurück und erschien bald wieder in einen großen Mantel gehüllt, wie ihn damals alle Stände häufig trugen, und der seine heilige Kleidung verbarg. »Jetzt,« sprach er zähneknirschend, »wenn Arbaces es gewagt hat – doch er wagt es nicht, er wagt es nicht! Warum sollte ich ihn auch im Verdachte haben? Ist er ein so niedriger Bösewicht? Ich will es nicht glauben – doch ein Sophist, ein dunkler Betrüger der Vernunft ist er. O Götter, schützt! Still! Gibt es denn Götter? Ja es gibt wenigstens eine Göttin, über deren Stimme ich gebieten kann, und diese ist – Rache!«
Solche unzusammenhängende Sätze vor sich hinmurmelnd, eilte Apäcides, gefolgt von seiner schweigenden und blinden Gefährtin, auf den einsamsten Pfaden nach dem Hause des Egypters.
Der von Nydia so plötzlich fortgeschickte Sklave zuckte die Achseln, murmelte einen Fluch und begab sich, über seine Entlassung durchaus nicht ärgerlich, nach Haus in sein Cubiculum.
Achtes Kapitel.
Die Einsamkeit und das Selbstgespräch des Egypters – Fernere Entwicklung seines Charakters.
Wir müssen im Verlaufe unserer Geschichte um einige Stunden zurückkehren. Beim ersten Grauen des Tages, den Glaukus bereits mit einem weißen Steine bezeichnet hatte, saß der Egypter schlafend und einsam auf der Spitze des hohen und pyramidenartigen Thurmes an der Seite seines Hauses. Eine hohe Brustwehr rings herum diente als Schutzmauer, und bot in Verbindung mit der Höhe des Gebäudes und den düsteren Bäumen, welche es umgaben, den forschenden Augen der Neugierde oder Beobachtung Trotz. Vor ihm stand ein Tisch, auf welchem eine mit geheimnisvollen Figuren beschriebene Rolle lag. Am Horizonte wurden die Sterne dunkel und bleich, und die Schatten der Nacht schwanden von den fahlen Bergspitzen; nur über dem Vesuv schwebte noch eine tiefe, schwere Wolke, die seit mehreren Tagen sich immer dunkler und dichter über seinem Gipfel zusammengezogen hatte. Noch sichtbarer war der Kampf der Nacht und des Tages über dem breiten Ocean, der sich wie ein ungeheurer See ruhig ausdehnte – im Halbkreise begrenzt durch das Gestade, das mit Weinbergen und Baumgruppen bedeckt und hie und da von den weißen Mauern schlummernder Städte strahlend zu den sich kaum kräuselnden Wogen sich sanft hinabsenkte.
Es war die vor allen andern der kühnen uralten Kunst des Egypters geweihte Stunde – jene Kunst, die unser wechselvolles Geschick in den Sternen lesen möchte.
Arbaces hatte seine Rolle beschrieben, den Augenblick und die Zeichen eingetragen, und sich jetzt, auf die Hand gelehnt, den Betrachtungen hingegeben, welche seine Berechnung hervorrief.
»Wiederum warnen mich die Gestirne! Eine Gefahr wartet meiner also sicherlich,« sprach er langsam; »eine gewaltsame und plötzliche Gefahr. Die Sterne zeigen mir dieselbe spöttische Drohung, die sie, wenn unsere Chroniken nicht irren, einst dem Pyrrhus zeigten – ihm, der dazu bestimmt war, nach Allem zu ringen – nichts zu genießen; – rastlos vom Schicksal umhergetrieben zu werden – Alles anzugreifen und Nichts zu gewinnen – Schlachten ohne Früchte zu liefern, Lorbeeren ohne Triumph zu erringen, Ruhm ohne Erfolg zu ernten; endlich durch seinen Aberglauben feige und wie ein Hund durch einen Ziegel aus der Hand eines alten Weibes erschlagen zu werden! Fürwahr, die Sterne schmeicheln mir sauber, wenn sie mir in diesem Kriegsnarren ein Vorbild geben – wenn sie der Glut meiner Weisheit dieselben Erfolge versprechen, wie der Raserei seines Ehrgeizes – fortwährendes Abmühen und kein bestimmtes Ziel – die Arbeit des Sisyphos, den Berg und den Stein! – den Stein, ein düsteres Bild! – Es erinnert mich, daß ich mit einem ähnlichen Tod wie der Epirote bedroht wurde. Sehen wir noch einmal nach. ›Nimm dich in Acht!‹ sagen die leuchtenden Propheten, ›wenn du unter alten Dächern oder belagerten Mauern oder überhängenden Felsen hingehst – ein Stein von oben geschleudert, ist mit dem Fluche des Geschicks gegen dich beladen!‹ Und in nicht ferner Zeit, von jetzt an, kommt die Gefahr; aber den Tag und die Stunde kann ich nicht genau lesen. Wohlan, wenn der Sand in meinem Stundenglase abläuft, soll er wenigstens bis zum letzten Augenblicke glänzen. Wenn ich aber dieser Gefahr entgehe – ja, wenn ich ihr entgehe, so glänzt die übrige Zeit meines Daseins
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