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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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nichts mehr schmeichelt, als der Glaube an einen künftigen Zustand, so konnte auch nichts unbestimmter und verworrener sein, als die Begriffe der heidnischen Weisen über diesen mystischen Gegenstand.
    Das wußte Apäcides bereits, daß der Glaube der Philosophen nicht der der großen Heerde war; daß, wenn sie auch insgeheim an eine göttliche Macht glaubten, sie es doch nicht für klug hielten, diesen Glauben der Masse mitzutheilen. Bereits wußte er, daß selbst der Priester das verlache, was er dem Volke predigte, daß die Begriffe der Vielen und er Wenigen beständig von einander abwichen. In diesem neuen Glauben hingegen schienen ihm Philosophen, Priester und Volk, die Ausleger der Religion wie ihre Jünger vollständig übereinzustimmen; sie grübelten und stritten nicht über Unsterblichkeit, sondern sprachen davon, als von etwas Gewissen und Zugesicherten. Die Erhabenheit der Verheißung blendete, ihre Tröstungen beruhigten ihn. Denn der christliche Glaube machte seine frühesten Bekehrungen unter Sündern. Manche seiner Väter und Märtyrer waren Männer, welche die Bitterkeit des Lasters gefühlt hatten, und sich deshalb durch seinen falschen Schein nicht mehr von dem Pfad einer strengen und unwandelbaren Tugend verlocken ließen. Alle die Zusicherungen dieses heilenden Glauben luden zur Buße ein – paßten besonders für die am Geiste Zerschlagenen und Kranken; und gerade die Reue, welche Apäcides über seine neuesten Ausschweifungen empfand, zog ihn zu einem Manne hin, der in dieser Reue etwas Heiliges sah und von der Freude sprach, die im Himmelreich sein werde über einen Sünder, der Buße thue.
    »Komm,« sprach der Nazarener, als er die von ihn hervorgebrachte Wirkung gewahrte, »komm in die niedere Halle, in welcher wir uns versammeln, eine kleine Schaar von Auserlesenen und Erwählten. Höre dort unsere Gebete an; betrachte die Aufrichtigkeit unserer reumüthigen Thränen; nimm Theil an unserem einfachen Opfer, bei welchem wir keine Thiere oder Kränze darbringen, sondern unbefleckte Gedanken auf dem Altare des Herzens niederlegen; unsere Blumen sind unvergänglich, sie blühen über uns, wenn wir nicht mehr sind, ja sie begleiten uns bis jenseits des Grabes, sprossen im Himmel unter unsren Füßen auf, entzücken uns durch ewigen Duft, denn sie gehören der Seele an und theilen ihre Natur; diese Opfergaben sind überwundene Versuchungen und bereute Sünden. Komm, o komm! verliere keinen weiteren Augenblick, bereite Dich schleunigst auf die große, die hehre Reise von der Dunkelheit zum Licht, von der Betrübnis zur Wonne, von der Verderbnis zur Unsterblichkeit. Dies ist der Tag des Herrn, ein Tag, den wir zu unsrer Andacht besonders ausgewählt haben. Obgleich wir gewöhnlich Nachts zusammenkommen, sind doch auch jetzt schon Einige von uns versammelt. Welche Freude, welcher Triumph wird bei uns Allen sein, wenn wir ein verwirrtes Lamm in die heilige Hürde bringen können.«
    Dem Apäcides, der von Natur ein so reines Herz besaß, schien etwas unaussprechlich Edles und liebreiches in dem Geiste der Bekehrung zu liegen, welcher den Olinth beseelte – ein Geist, der in dem Glücke Anderer seine eigene Wonne fand, dessen umfassende Menschenliebe darnach strebte, sich Genossen für die Ewigkeit zu schaffen. Er fühlte sich gerührt, erweicht, bezwungen. Er war durchaus nicht in der Stimmung, gerne allein bleiben zu wollen; auch die Neugierde mischte sich in seine reineren Triebe – er wünschte die religiösen Gebräuche zu sehen, über welche so viele dunkle und widersprechende Gerüchte im Umlauf waren. Einen Augenblick hielt er an, schaute auf sein Kleid, dachte an Arbaces, schauderte vor Schrecken und erhob seine Augen zu der breiten Stirne des Nazareners, auf der sich ängstliche und wachsame Sorge, aber nur für sein Bestes, für seine Rettung, aussprach! Dann hüllte er sich in seinen Mantel ein, so daß dieser sein Amtskleid völlig verbarg und sagte: »Führe mich, ich will Dir folgen.«
    Olinth drückte ihm freudig die Hand, stieg mit ihm zum Ufer des Flusses hinab und rief eines der Boote herbei, die dort beständig umherfuhren. Sie bestiegen dasselbe; eine übergespannte Decke, die sie vor der Sonne schützte, sicherte sie auch zugleich vor der Beobachtung Fremder. Schnell fuhren sie über das Wasser hin. Aus einem Boote, das an ihnen vorbeifuhr, ertönte eine sanfte Musik und sein Vordertheil war mit Blumen geschmückt; es glitt der See zu.
    »So,« sagte Olinth wehmütig, »so

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