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Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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zurück. Dabei mußten sie besonders darauf achten, daß die Räder nicht barsten – weder die, über die die Kutsche gekippt wurde, noch die, auf die das Fahrzeug schließlich zurückfiel. Bei letzteren dienten sorgfältig plazierte Klötze als Bremsmittel. Als die Kutsche schließlich stand und sie alle schweißüberströmt an die Räder gelehnt auf der Straße saßen, kam Eljazokad mit dem Spaten über der Schulter aus dem Wald zurück. Auch er sah redlich erschöpft aus. Im Osten schimmerten die ersten Ahnungen der Morgendämmerung durch die Bäume des Larn.
    Alins blieb bei der Kutsche, aber Rodraeg, Bestar, Hellas und Eljazokad gingen zum frischen Grab, um einem Kampfgegner die letzte Ehre zu erweisen.
    Â»Wir wissen nichts über dich«, sagte Eljazokad, als sie alle um den flachen Hügel aufgebrochener Erde herumstanden. »Wir wissen nicht einmal deinen wirklichen Namen. Wir wissen nur, daß du mächtig warst. Mächtig genug, um ein Kind zu töten, das du in deinen Händen hieltst, mächtig genug, um es nicht zu tun. Mächtig genug, um uns alle niederzuwerfen wie eine Kutsche, mächtig genug, um darauf zu verzichten. Mächtig genug, um dich gegen vier Mammutjäger zur Wehr zu setzen, mächtig genug, um dich geschlagen zu geben. Ich hätte noch viele Fragen an dich gehabt, deren Antworten du jetzt leider mit dir nimmst in die immerwährende Nacht der Wölfe, aber ich begreife, daß du ruhelos warst im Leben und dir jetzt endlich Ruhe vergönnt wurde. Mögen die Zehn dich aufnehmen in ihre Länder und Wiesen und Wälder, und mögest du dort zu einer Gestalt finden, die du dein eigen nennen und behalten kannst.«
    Bestar nickte nur und sah Eljazokad mit unverhohlener Bewunderung an. Hellas blickte eher geringschätzig drein.
    Rodraeg räusperte sich und sagte noch: »Mit deinen letzten Worten hast du bezweifelt, daß wir es schaffen werden, etwas für die Wale von Wandry zu tun, die lebendigen, singenden Schiffe, wie du sie nanntest. Ich hoffe, dir beweisen zu können, daß wir es wert sind, Mammut genannt zu werden.«
    Sie sahen sich an. Es ertönte kein Wolfsgeheul von weit her oder nahe. Es brachen keine Sonnenstrahlen durchs Geäst, um das Grab eines Ungeheuers zu liebkosen. Dasco war allein in seinem Tod, und auch sie wandten sich nun ab und schritten langsam zu ihrer Kutsche zurück.
    Sie brauchten noch drei volle Tage bis nach Tyrngan und lagen somit einen Tag hinter ihrem ursprünglichen Zeitplan. Alins schimpfte zwar die ganze Zeit wegen der Abzüge, die das Überschreiten der Beförderungsfrist für seinen Arbeitslohn bedeuten würde, zog es aber dennoch vor, die angeschlagene Kutsche nicht zu überlasten und statt dessen Vorsicht walten zu lassen.
    Rodraeg grübelte viel in diesen drei Tagen. Sein Husten schien von dem Kjeerhemd, das er ununterbrochen am Leibe trug, unter Kontrolle gehalten zu werden, aber statt dessen hatte er ab und zu beunruhigende Schmerzen beim Einatmen und Aufstehen. Er dachte nach über seinen Mammuttraum. Wenn es die Jäger aus diesem Traum leibhaftig gab, wenn er ihnen begegnet war, nur wenige Monde nach dem Traum – war es dann nicht auch denkbar, daß es noch irgendwo ein Mammut gab? Schon in Warchaim war ihm dieser Gedanke gekommen, nachdem er gelesen hatte, daß Buckelwale als ausgestorben galten. Was hatte das alles zu bedeuten? War es seine Aufgabe, dieses Mammut zu finden und zu schützen, so wie es Eljazokads Aufgabe zu sein schien, ein mandeläugiges Kind von seinen schweren Verwundungen zu heilen? Hatte Naenn mehr mit diesem Traum zu tun, als ihn einfach nur mit ihm geteilt zu haben?
    Eines Vormittags wandte sich Rodraeg an Eljazokad. »Dieses Kind in deinem Traum, das schwer verletzt war. Meinst du, es ist denkbar, daß es von Dasco verletzt wurde?«
    Der Magier dachte lange nach, bevor er antwortete. »Alles in diesem Traum wirkte so fremdartig und fern, daß ich sagen würde: Weder das Kind noch das Tier, das es verwundete, können von dieser Welt gewesen sein. Aber fremdartiger und ferner als ein Blauhaariger mit einem donnernd hallenden Blasrohr? Ich weiß gar nichts mehr, außer einem: Solange ich mit euch reise, werde ich Rätsel schauen, Irrgarten und Abgründe.«
    Rodraeg wurde das Gefühl nicht los, durch Dascos Tod einen Verlust erlitten zu haben. Er hätte ihm noch vieles

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