Die leuchtende Stadt
Schatten des Festländers. Bandicut streckte beide Hände aus, bekam den Festländer zu fassen; und nur Sekunden später spürte er, wie die Strömung sich wie ein Strudel um ihn wand und ihn in einen langsamen, halben Überschlag zog. Zuerst versuchte er, sich aus der Strömung zu befreien, aber es war absolut unmöglich. Ik, zieh mich aus der Kammer!, dachte er, doch dann fiel ihm ein, dass er Iks Seil verloren hatte. Er nahm einen tiefen, ganz langsamen Atemzug und ließ sich schließlich einfach in der für ihn völlig unberechenbaren Strömung treiben.
Lichter schienen um ihn herum zu glitzern, aufzublitzen, einmal und noch einmal, dann gingen sie aus. Er war in der Dunkelheit verloren, das fremdartige Geschöpf hilflos in seinen Armen.
21
Tiefsee-Express
Ik bemühte sich, ruhig zu bleiben, auch als er seinen Freund in eine finstere Leere treiben sah, die völlig unerwartet lebendig wurde, bizarre Lichteffekte erzeugte. Bandicut schien ins Trudeln zu geraten, dann wurde er mit den Füßen voran in einen gespenstischen Strudel gesogen. Gleich nachdem sie den Sichtkontakt zu Bandicut verloren hatten, hatte Ik gespürt, dass sein Seil locker durchhing. Als er versuchsweise an seinem Ende des Seil ruckte, kam das andere aus der Dunkelheit zu ihm zurück und rollte sich in seiner Hand wieder zusammen. Leise fluchte er in sich hinein – mehr konnte er nicht tun.
Die merkwürdigen Lichteffekte hörten nicht auf. Stattdessen variierten sie ständig, als seien sie lebendig. Die Neri, die sich neben ihm im Wasser treiben ließen, schienen äußerst erregt, und zweifelsohne hatten sie Angst. Einer von ihnen weinte. S’Cali und L’Kell sahen aus, als wollten sie es ihrem Kameraden gleichtun. L’Kell starrte düster in die Kammer hinein; vermutlich war er bereits davon überzeugt, dass sie ihren gemeinsamen Freund verloren hatten. Ik hingegen glaubte fest, dass Bandicut noch lebte – denn er sah nach wie vor die wechselnden Lichteffekte in der Kammer. John Bandicut war jemand, der sich nur schwer umbringen ließ. Solange da drinnen noch immer irgendetwas auf Bandicuts Anwesenheit reagierte, war es durchaus möglich, dass sein Freund noch lebte.
Also blieb Ik ruhig und erinnerte sich selbst ab und an daran, langfristig zu denken. Das hieß für ihn, nicht nur seine ganze Hoffnung darauf zu setzen, dass sein Freund noch am Leben war, sondern es auch die Möglichkeit zu akzeptieren, dass er ihn wirklich verloren hatte. Es war eine gute, eine nützliche Übung. Und verdammt hart durchzuhalten.
Ik war, als warte er bereits ein ganzes Leben lang. Er wartete eine weitere Lebensspanne, und noch eine – dann sah er, wie im Innern der Kammer etwas in Bewegung geriet. Augenblicklich verlor der Hraachee’aner seine gleichmütige Haltung und brüllte wie ein Verrückter die Neri an: »Bewegt euch, bewegt euch, macht schon! «
Das Licht in der Kammer des Wahnsinns flackerte, erlosch, und John Bandicut trudelte kopfüber aus der Dunkelheit heraus wie ein Gummiball. Ik war im Wasser zu schwerfällig, um mit anpacken zu können. Aber die Neri huschten wie Fische in einem Schwarm vor und fingen Bandicut ab. Und dann sahen sie es: Bandicut hatte den Festländer in seinen Armen.
Den Festländer!
Ik ruderte heftig mit den Armen, um mit den Neri, Bandicut und dem Festländer gleichauf zu kommen, »John Bandicut!«, brüllte er, aber seine Stimme war außerhalb seiner Tauchhaube nicht zu hören. Dafür erkannte Ik jedoch, dass Johns Augen hinter dessen Haubenvisier unruhig hin und her gingen. Offenbar hatte er völlig die Orientierung verloren, vielleicht war er auch verletzt. Als Ik die Hand ausstreckte, um den Arm seines menschlichen Freundes zu berühren, erhaschte er gleichzeitig einen Blick auf den Festländer, der schlaff in Bandicuts Armen hing. War dieses Geschöpf überhaupt noch am Leben? Ik konnte die Augen des Festländers wegen dessen Atemgerät nicht erkennen. Er fasste den schlaffen Körper an, hoffte auf eine Bewegung, auf Körperwärme – vergebens.
Die Neri versammelten sich um sie, und L’Kell schlug vor: »Lasst uns von hier wegschwimmen! Wir sollten uns zu unserem Boot aufmachen, bevor noch irgendetwas passiert!« L’Kells Stimme klang dünn und metallisch, aber sie vibrierte förmlich vor Eindringlichkeit. Er gab den anderen Neri ein Zeichen, und zwei der Neri-Schwimmer hakten sich in die Halteriemen von Iks Atemgerät ein, um ihn zu ziehen. Schon tauchten sie den Gang entlang, der sie hierher geführt
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