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Die leuchtende Stadt

Titel: Die leuchtende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey A. Carver
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nur Gefühle wahrnehmen, keine Gedanken. Und ich habe noch nie versucht, meine Gedanken einem Nicht-Thespi zu übermitteln.« Sie hielt die Gedankenübertragung an Fremdwesen für riskant, für äußerst gefährlich – nicht zuletzt deswegen, weil sie dabei anderen ihre eigenen Gefühle offenbaren würde – vielleicht die falsche Emotion zum falschen Zeitpunkt. Auf ihrer Heimatwelt hatte sie die Aufgabe gehabt, den Austausch zwischen anderen Thespi zu erleichtern und ihre eigenen Gefühle für sich zu behalten.
    »Vielleicht«, fuhr Li-Jared fort, »ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, es zu versuchen.«
    Antares antwortete ihm nicht.
    Ein Licht näherte sich – vielleicht ein Fahrzeug oder ein Meereswesen, das eine Lampe trug. Nicht weit von ihnen entfernt glitt es im Wasser. Antares glaubte, eine schattenhafte Bewegung in der Dunkelheit zu sehen. Trotz dieser Vorwarnung erschreckte sie sich, als sich im Boden ein dunkler Kreis bildete und ein schwarzes, insektenäugiges Gesicht durchs wallende Wasser zu ihr hochsah. Antares sah, wie Li-Jared zurückwich, und unterdrückte den Drang, es ihm nachzutun. Dann konzentrierte sie sich – und erspürte Furcht, aber keine Feindseligkeit.
    Das tropfnasse Wesen kletterte ins Habitat. Die Kreisöffnung im Boden verschwand wieder. »Rakkagrrriiii«, sagte es.
    Antares hörte genau hin. Die Wissenssteine kribbelten an ihrer Kehle. Bislang hatten sie die Worte des fremden Wesens weder übersetzt noch auf andere Weise übertragen. Bestimmt war eine Übersetzung irgendwie möglich; und tatsächlich: Allmählich entstand ein Bild in ihrem Verstand, das ihr verriet, wie sie mit dem Wesen kommunizieren konnte. Der Gedanke war erschreckend – nicht gerade etwas, das man leichtfertig riskieren sollte.
    Das Meereswesen musterte sie. »Frikkatagaasss.«
    Es schien daran interessiert zu sein, sich mit ihr zu unterhalten. »Kannst du mich hören?«, fragte sie und deutete mit dem Finger auf ihr Ohr.
    Das Wesen erstarrte, dann neigte es den Kopf zur Seite.
    »Kannst du …«, sie öffnete langsam ihre Hand, »… fühlen, was ich fühle?« Ich habe keinen Grund, mich vor dem Wesen zu fürchten oder es nicht zu mögen, sagte sie sich. Sie wollte ihm ein Gefühl des … nein, nicht direkt ein Gefühl des Vertrauens übermitteln, denn dazu war es noch zu früh, sondern eher ein Gefühl der Zuversicht. Und Neugier. Die Wesen interessierten sich für sie, und vielleicht half es ja, wenn sie ihnen klar machte, dass sie sich selbst ebenfalls für sie interessierte.
    Das Meereswesen änderte seine Haltung, schien sich sichtlich zu entspannen. Neben Antares bibberte Li-Jared innerlich und versuchte, sich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass er bislang noch in Sicherheit war. Seltsam, dachte sie. Li-Jared ist vermutlich eines der klügsten Wesen, denen ich je begegnet bin – aber auch eines der reizbarsten. Sie sandte ihm einen stummen Hauch der Beruhigung zu.
    Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Meereswesen und dachte langsam und konzentriert: Habt ihr einen Anführer, mit dem ich vertraulich reden kann? Sie hielt den Gedanken aufrecht – nicht weil sie erwartete, dass das Wesen die Worte verstehen würde, sondern in der Hoffnung, dass etwas von der Aussage, von ihrem Wunsch zu kommunizieren, zu ihm durchdringen würde.
    »Hyahh«, machte das Wesen und deutete auf sich selbst. »Haleekah.«
    Was bedeutete das? Bot es sich selbst als Gesprächspartner an? Jetzt musste Antares behutsam vorgehen. Es war durchaus möglich, dass dieses Geschöpf vertrauenswürdig war. Aber sie spürte, dass es bei den Meereswesen eine Machthierarchie gab, und musste ihre Ziele höher stecken. »Ich muss«, erklärte sie bedächtig, »mit jemandem von hohem Rang sprechen.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust, dann breitete sie sie wieder aus: eine Geste der Verehrung.
    »Hach-raam?«
    Sie wiederholte ihre Worte, wobei sie mit den Fingerspitzen zunächst auf sich deutete, dann von sich weg.
    Das Meereswesen berührte mit beiden Händen seine Seiten, wies sodann auf die Stelle im Boden, durch die es ins Habitat geklettert war, und deutete dann ausholend und mit aneinander gelegten Händen in den Ozean. » Corri-kaola?«
    Antares neigte betont den Kopf.
    Das Meereswesen berührte den Boden. Als ein Kreis aus Wasser erschien, glitt es hinein und verschwand.
    »Hat das, was gerade passiert ist, etwas Gutes zu bedeuten?«, fragte Li-Jared, der immer noch neben ihr hockte.
    »Das weiß ich

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