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Die leuchtende Stadt

Titel: Die leuchtende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey A. Carver
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zweier Neri brachten Bandicut und Ik die Roboter in einen sicheren Raum, der nur eine Etage höher lag; um ihn zu erreichen, musste man lediglich eine kurze Rampe emporsteigen. Schließlich eilten sie einen Niedergang hinauf und betraten einen der nahebei liegenden Kuppelräume.
    Das Abschiedsschwimmen begann im offenen Wasser zwischen zwei großen Gruppen von Kuppelhabitaten, einer Art von öffentlichem Platz, gleich vor dem künstlichen Riff, an dem Bandicut und Ik bei ihrer Ankunft zum ersten Mal vorbeigekommen waren. Die beiden sahen aus dem Kuppelfenster und beobachteten, wie sich etwa fünfzig Neri-Schwimmer um die sieben Getöteten versammelten – offenbar hatte es zwei Tote mehr gegeben, als man L’Kell mitgeteilt hatte. Die Toten lagen auf schmalen Bahren, die in der Strömung trieben, und ihre Körper waren mit langen, gewundenen Meerespflanzen behangen, die Farnwedeln glichen. Als die Schwimmzeremonie begann, wurde jede Bahre von vier Neri gehalten; alle anderen nahmen die Träger in ihre Mitte und bildeten eine Art von Prozession. An der Spitze der Prozession schwamm ein Neri in einem Gewand aus langen, farnwedelähnlichen Meerespflanzen, die den Pflanzen glichen, mit denen die Toten geschmückt waren.
    Die Prozession bewegte sich über den Platz, vorbei an der Kuppel, in der Bandicut und Ik standen. Hargel, der junge Neri, der für kurze Zeit ihr Gefängniswärter gewesen war, hatte sich zu ihnen gesellt. »Sie geleiten die Getöteten aus der Stadt in die große Reißende Strömung, wo sie wieder Teil des Kreislaufs der See werden«, erklärte Hargel.
    »Werden sie dann für immer weitertreiben?«, fragte Ik.
    Hargel blickte ihn an, so verwirrt, als habe er die Frage nicht verstanden. »Sieh dorthin!«, wies er den Hraachee’aner an und zeigte auf das finstre Wasser, auf das die Prozession zuschwamm.
    Etwas bewegte sich darin, kaum wahrnehmbar wie Gespenster.
    »Pikarta«, erläuterte Hargel. »Seelenträger.«
    Bandicut blinzelte in die Dunkelheit. Das Quarx erhöhte vorübergehend seine Lichtempfindlichkeit. Sogleich wurde der Raum ringsum gleißend hell, aber draußen in der Finsternis erspähte er nun große, weiße, stromlinienförmige Gestalten. »Fleischfresser«, murmelte er, als sich sein Sehvermögen wieder normalisierte und alles dunkler wurde.
    ///Haie?///
    /Etwas in der Art … /
    Hargel richtete die großen schwarzen Augen auf Bandicut. »Ja.« Er sah wieder nach draußen und beobachtete die unter ihnen vorbeischwimmende Prozession. »Wir haben sie mit einem Opfer hergelockt.«
    »Ein Opfer?«
    »An ein Tauchboot gebunden.«
    Bandicut erschauerte. »Und sie greifen nicht … vorzeitig an?«
    Hargel machte eine wedelnde Handbewegung. »Für gewöhnlich greifen sie nur an, wenn sich etwas plötzlich oder hektisch im Wasser bewegt. Oder wenn sie ein Opfer riechen. Aber die Gerüche werden von der Strömung nach draußen getrieben, fort von der Prozession.« Hargel betrachtete die Bewegungen der Schwimmer. Manche von ihnen führten nun eine Art von Balletttanz um die Toten auf, drehten und kreisten und sanken durch das Wasser.
    ///Sie trauern … ///
    /Ja, sie nehmen Abschied/ stimmte Bandicut zu, und plötzlich war sein Herz voller Trauer. Er trauerte um Charlie-Vier (aus welchem Grund auch immer das Quarx von ihm gegangen war) und um Charlie-Drei, dessen Tod ebenfalls noch nicht lange zurücklag, und um all die Charlies, die er an die Zeit und den Tod verloren hatte. Er dachte auch an Julie Stone und an die Erde, und er stützte sich mit einer Hand am Kuppelfenster ab, weil er plötzlich das Gefühl hatte, der Schmerz könnte ihn glatt umhauen.
    ///Es ist gut zu trauern, glaube ich.///
    /Das denke ich auch./ Natürlich empfand Bandicut seine Trauer nicht als angenehm, aber es tröstete ihn, seinen Schmerz mit den Neri zu teilen, die ihre Gefallenen aussandten, damit diese wieder ein Teil des Meeres würden. Und nach einem kurzen Moment wurde ihm bewusst … dass ihn auch tröstete, den Schmerz mit seinem neuen Quarx zu teilen, mit Charlene.
    ///Ich teile ihn mit dir///,
    flüsterte sie.
    Bandicut wusste, dass sie nicht nur seine Trauer meinte, sondern auch ihre eigene, ihre Trauer um jedes Quarx, das vor ihr gestorben war, vielleicht sogar ihre Trauer um die ganze Quarx-Spezies.
    »Ist das der Heiler, der an der Spitze der Prozession schwimmt?«, fragte Ik.
    »Ja, das ist Corono«, bestätigte Hargel. »Er ist unser Choltoph, unser geistliches Oberhaupt: Er geleitet die Seelen derer,

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